Nicholas' Geheimnis (German Edition)
sie heimgebracht hatte.
Andrew! Nick unterdrückte seine aufsteigende Wut. Aber es gab Momente, da hasste er Andrew, weil er Melanie geküsst hatte. Er hasste Dorian, weil Melanie ihn angelächelt hatte, und er hasste Alex, wenn er ihr freundschaftlich den Arm um die Schultern legte.
Sie würde ihm nie verzeihen, was in der vergangenen Nacht geschehen war. Sie hasste ihn, weil er ihre Hilflosigkeit, ihr Verwundbarkeit ausgenutzt und sie genommen hatte – mit diesem verdammten Medaillon um den Hals. Und sie hasste, was er tat, was er war.
Nick wandte sich mit einem Ruck vom Fenster ab. Warum zerbrach er sich eigentlich den Kopf? Melanie James würde in ein paar Wochen aus seinem Leben verschwinden. Wenn sie ihn hasste, würde es ihn nicht aus der Bahn werfen.
Wenn sie sein Herz erobert hatte, nun, damit würde er auch fertig werden. Nach allem, was er durchgestanden und getan hatte, würde er sich von einer blauäugigen Hexe nicht in die Knie zwingen lassen.
Melanie fühlte sich einsam. Die Stille, die sie noch vor wenigen Tagen gepriesen hatte, bedrückte sie jetzt. Dass eine Menge Dienstboten im Haus waren, war kein Trost. Sie vermisste Alex, Liz und Dorian.
Der Vormittag verging ebenso langsam wie die vergangene Nacht. Die Villa erschien Melanie wie ein Gefängnis, in dem sie mit ihren Gedanken allein war.
Und weil ihre Gedanken ständig nur um Nick kreisten, fand sie es fast unerträglich, in dem Bett zu liegen, das sie geteilt hatten. Wie konnte sie ruhig in einem Bett schlafen, in dem sie noch immer die Berührung mit seinem Körper und seine Küsse auf ihren Lippen spürte? Wie konnte sie in einem Zimmer zur Ruhe kommen, in dem noch immer der Duft von Wind und Meer zu hängen schien, der Nick anhaftete?
Wie hatte es geschehen können, dass sie diesen Mann liebte? Und wie lange konnte sie diese Liebe noch verleugnen?
Wenn sie sich ihr ergab, würde sie für den Rest ihres Lebens leiden müssen.
Obwohl Melanie wusste, dass sie sich damit eher noch trauriger machte, zog sie sich ihren Badeanzug an und ging an den Strand hinunter.
Eigentlich war es lächerlich, Angst vor dem Strand und dem Haus zu haben. Sie hätte den Urlaub nirgends schöner zubringen können. Wenn sie sich in ihrem Zimmer einschloss, würde sie das Geschehene auch nicht ändern können.
Der weiße Sand glitzerte in der Sonne. Rasch streifte Melanie ihr Strandkleid ab und lief ins Wasser. Das Schwimmen würde sie entspannen, und vielleicht konnte sie dann heute Nacht schlafen.
Was für einen Sinn hatte es, Tag und Nacht über den Mord an einem Mann nachzugrübeln, den sie nie gekannt hatte? Warum sollte sie sich wegen eines harmlosen Zigarettenrestes Gedanken machen? Sie musste endlich die simplen Fakten akzeptieren. Der Mann war im Zuge eines dörflichen Streits ums Leben gekommen. Sein Tod hatte weder mit ihr noch mit ihren Freunden etwas zu tun. Ein tragischer Fall, gewiss, aber ohne Bedeutung für sie selbst.
An Iona wollte Melanie nicht denken. An Schmuggler und Mörder schon gar nicht. Und auf keinen Fall an Nick. Am besten, sie stellte fürs Erste das Denken ganz ein.
Und das gelang ihr tatsächlich. Die Welt bestand nur noch aus Himmel, Meer und Sonne. Das Wasser schien alles Hässliche von ihr abzuwaschen, und ihre Sorgen versanken in den Fluten. Es war wie am ersten Tag, als sie hier ihren inneren Frieden gefunden hatte.
Liz brauchte sie in den nächsten Tagen. Melanie würde keine Hilfe für sie sein, wenn sie selbst nervös und verstört wäre. Jawohl, und heute Nacht würde sie schlafen. Von Albträumen hatte sie genug.
Entspannt wie seit langem nicht mehr, schwamm sie ans Ufer zurück. Ihre Füße berührten den feinen Ufersand. Muscheln blitzten weiß an der Wasserlinie auf. Melanie richtete sich auf. Die kleinen Wellen umspielten ihre Knie. Die Sonne auf ihrer Haut fühlte sich herrlich an.
»So entstieg auch Helena dem Meer.«
Melanie beschattete ihre Augen mit der Hand und sah Andrew. Er saß neben ihrem Handtuch im Sand und schaute ihr entgegen.
»Kein Wunder, dass ihretwegen der Trojanische Krieg ausbrach.« Andrew stand auf und ging ihr zur Wasserlinie entgegen. »Wie geht’s dir, Melanie?«
»Danke, gut.« Sie nahm das Handtuch, das er ihr reichte, und rubbelte sich das Haar trocken.
»Deine Augen sind umschattet. Ein blauer See, über den dunkle Wolken ziehen.« Andrew strich mit dem Finger über Melanies Wange. »Nick hat mir von Iona Theocharis erzählt.« Er nahm Melanie bei der Hand und führte
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