Nicholas' Geheimnis (German Edition)
sie über den weißen Sand. Melanie ließ das Handtuch fallen und setzte sich neben Andrew. »Anscheinend hat sich alles gegen dich verschworen, Melanie. Es tut mir Leid, dass du auch noch Iona finden musstest.«
»Anscheinend habe ich für so etwas ein besonderes Talent. Aber ehrlich, mir geht es heute schon viel besser.« Sie lächelte und berührte Andrews Wange. »Gestern war ich … Ich wusste nicht mehr, wo mir der Kopf stand. Mir war, als sähe ich alles durch eine gläserne Wand, verzerrt und unwirklich. Heute sehe ich die Wirklichkeit, aber ich werde mit ihr fertig.«
»Mit diesem Trick schützt die Natur den Menschen vor Überbelastung, glaube ich.«
»Mir tun Alex und Liz furchtbar Leid, Andrew. Und Dorian auch.« Melanie lehnte sich zurück und stützte sich mit den Ellbogen ab. Die Sonne fiel warm auf ihre Haut und trocknete das Wasser. »Es ist schwer für sie. Ich fühle mich so hilflos.« Sie wandte Andrew das Gesicht zu und schüttelte das Haar aus. »Ob du es glaubst oder nicht, nach diesen zwei Tagen erkenne ich erst, wie froh ich bin, am Leben zu sein.«
»Das ist eine ganz gesunde, normale Reaktion.« Andrew lehnte sich auch zurück. Er blinzelte gegen das Sonnenlicht und betrachtete Melanie.
»Hoffentlich. Ich hatte schon Gewissensbisse.«
»Du kannst keine Gewissensbisse haben, weil du leben willst, Melanie.«
»Nein. Aber plötzlich wird mir bewusst, was ich noch alles tun und sehen will. Ich bin sechsundzwanzig, und dies ist meine erste Reise. Hättest du das gedacht? Meine Mutter starb, als ich noch ein Baby war. Mein Vater und ich zogen von Philadelphia nach New York. Etwas anderes habe ich nie kennen gelernt.«
Melanie strich ihr feuchtes Haar zurück. »Ich spreche zwar fünf Fremdsprachen, aber zum ersten Mal mache ich von einer dieser Sprachen Gebrauch. Ich werde den Urlaub jedes Jahr in einem anderen Land verbringen – Italien, England, Frankreich.« Sie drehte sich zu Andrew um und sah ihn mit leuchtenden Augen an. »Ich werde in Venedig mit einer Gondel fahren, ich werde in Cornwall durch das einsame Hochmoor streifen und über die Champs Elysées bummeln.« Melanie lachte, ihr war leicht und frei zu Mute. »Auf ganz hohe Berge möchte ich klettern.«
»Und was ist mit dem Fischerboot?« Andrew legte lächelnd seine Hand über die ihre.
»Oh, habe ich das schon verraten?« Melanie lachte. »Ja, das auch. Jack sagte immer, ich hätte ausgefallene Ambitionen.«
»Jack?«
»Ein Freund in New York.« Melanie merkte zu ihrer Freude, wie leicht sie von ihm in der Vergangenheit sprechen konnte. »Er ist Politiker. Ich glaube, er will Präsident der Vereinigten Staaten werden.«
»Hast du ihn geliebt?«
»Nein. Ich hatte mich an ihn gewöhnt.« Melanie errötete. »Ist das nicht schrecklich, so etwas zu sagen?«
»Das weiß ich nicht. Findest du?« meinte Andrew nachdenklich.
»Nein«, antwortete Melanie. »Es ist wahr. Er war sehr vorsichtig, sehr konventionell und leider sehr langweilig. Ganz anders als …« Sie sprach nicht weiter. Ihr Blick war starr auf das Kliff gerichtet, alle Farbe wich aus ihrem Gesicht.
Andrew blickte auf und entdeckte Nick auf dem Gipfel des Kliffs. Mit gegrätschten Beinen, die Hände in den Hosentaschen, stand er da und schaute auf sie herunter. Sein Gesichtsausdruck war auf die Entfernung nicht zu erkennen. Unvermittelt drehte er sich um und verschwand ohne ein Winken oder einen Gruß hinter dem Felsen.
Andrew blickte Melanie an. Ihr Gesicht war ein offenes Buch, das ihm die Wahrheit verriet. »Du liebst Nick.«
»Oh nein! Natürlich nicht«, antwortete sie schärfer als nötig. »Ich kenne ihn kaum. Ein unmöglicher Typ – aufbrausend, arrogant und herrisch. Ein zynischer Menschenverächter, der über Leichen geht.«
Bei dieser Beschreibung schüttelte Andrew erstaunt den Kopf. »Anscheinend reden wir von zwei verschiedenen Männern.«
Melanie wandte sich ab und ließ den Sand durch die Finger rinnen. »Kann sein. Aber ich mag beide nicht.«
Andrew betrachtete eine Weile schweigend ihr Spiel mit dem Sand. »Aber du liebst ihn.«
»Andrew …«
»Gegen deinen Willen«, setzte Andrew hinzu und schaute dann übers Wasser hinaus. »Melanie, ich habe mich gefragt … Ich möchte unsere Freundschaft nicht zerstören, um nichts in der Welt. Aber ich wüsste gern … Würdest du mich heiraten?«
»Was?« Verblüfft drehte sie sich zu ihm herum. »Soll das ein Witz sein?«
Andrew blickte sie prüfend an. »Nein, es ist kein Witz. Ich bin
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