Nicht alles Kraut ist grün
die Straßensperre, und Sutton verzog sich in sein Hausboot, um die weitere Entwicklung abzuwarten. Es wäre wichtig zu wissen, ob die Straßensperre die ganze Nacht durch bestand. Falls die Straße vor Mitternacht wieder offen war, ist Sutton möglicherweise deshalb nicht weitergefahren, weil er inzwischen schon tot war.«
»Wie hat die Polizei bei der Entdeckung der Leiche das Hausboot vorgefunden?« fragte Newberry. »Brannte Licht oder war die Batterie, die den Strom für die Beleuchtung liefert, leer? War das Bett benutzt? Stand eine schmutzige Kaffeetasse da?«
»Die Polizei«, unterbrach ich seinen Fragenstrom, »ist sehr zugeknöpft. Man wollte erst Calhouns Version hören, ehe man irgendwelche Fakten ausspuckte.«
»Und Calhoun hat seine Version nicht geliefert?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Ich habe ihm geraten, vor seiner Aussage einen Anwalt zu konsultieren«, sagte ich.
»Noch etwas?« fragte Newberry.
»Eddie Sutton hatte einen Mitfahrer, als er über die Grenze rollte.«
»Männlich? Weiblich?«
»Männlich.«
»Beschreibung?«
»Da muß ich leider passen. Er saß ganz im Schatten. Ich konnte nur erkennen, daß es sich um einen Mann handelte.«
»Weiß die Polizei das?«
»Ja, das weiß sie.«
»Und auch, daß Sie diese Begleitperson gesehen haben?«
»Ja, das weiß sie auch.«
»Es würde mich natürlich interessieren, wer Suttons Fahrgast war.«
»Das würde uns alle interessieren.«
»Haben Sie schon eine bestimmte Theorie?«
»Darüber möchte ich noch nicht sprechen.«
Newberry machte ein nachdenkliches Gesicht. »Wissen Sie, Lam«, meinte er, »ich glaube, Sie können mir nützlich sein.«
»Auf die eine oder andere Weise...«, ergänzte ich.
Wieder grinste er. »Auf die eine oder andere Weise — sehr richtig. Würden Sie mir den Versuch, Ihnen die Sache in die Schuhe zu schieben, übelnehmen?«
»Nein, das würde ich nicht.«
»Und Sie werden mich verständigen, wenn Sie irgend etwas entdecken, was meinen Klienten entlasten könnte?«
»Wahrscheinlich.«
»Aber Sie sind nicht bereit, den Fall nach meinen Weisungen zu bearbeiten?«
»Nein. Ich siege lieber im Alleingang.«
»Na gut«, meinte er, »dann fahre ich jetzt zum Gefängnis und spreche mit meinem Klienten.«
Er packte meine Hand mit einem kräftigen Griff.
»Sie waren zu der Zeit, als der Mord begangen wurde, in Calexico?«
»Das wird wohl so sein...«
»Viel Glück, Mr. Lam«, sagte er. »Ich hab’ den Eindruck, Sie werden es brauchen können.«
Damit ging er. Ich ließ mir im Vorzimmer von seiner Sekretärin eine Karte mit seiner Telefonnummer geben, dann setzte ich mich in die Firmenkutsche und brauste zurück nach Calexico.
9
Auf der Rückfahrt dachte ich ausgiebig nach.
Nanncie hatte in aller Herrgottsfrühe das MapleLeaf verlassen und sich entweder nach Süden oder nach Norden gewandt. Daß sie in östliche oder westliche Richtung gezogen war, schien wenig wahrscheinlich. Für ihren Auszug hatte sie einen Wagen gebraucht — entweder ein Taxi oder Privatauto.
Der nächste Schritt war wieder reine Routinearbeit.
Die Umfrage bei den Taxis von Calexico war schnell gemacht, aber das Ergebnis war gleich Null.
Das naheliegendste Ziel in südlicher Richtung war San Felipe. Dann mußte sie jemand in einem Privatwagen mitgenommen haben. Wenn sie sich nach Norden gewandt hatte, war es das Wahrscheinlichste, daß sie mit dem Bus nach Los Angeles zurückgefahren war. Das wäre allerdings unter den augenblicklichen Umständen nicht sehr klug gewesen.
Wenn ihr nächtlicher Motel-Besucher tatsächlich Calhoun gewesen war, konnte er sie nicht sehr weit fortgebracht haben. Er hatte eine lange Autofahrt hinter sich und war müde. In nördlicher Richtung mochte er gerade noch bis El Centro gekommen sein, nach Süden zu konnte er sie knapp hinter der Grenze deponiert haben.
Ich beschloß, mein Glück einmal in dem neuen Hotel von Mexicali zu versuchen. Es war zumindest eine reelle Chance.
Das Lucerna ist eine hypermoderne Luxusherberge mit Patio, Swimmingpool, Cocktail-Bar und luxuriös eingerichteten Räumen.
Ich parkte, ging hinaus zum Swimmingpool und musterte die Leute, die sich dort im Sonnenschein von Niederkalifornien aalten.
Ich überlegte mir, ob ich dem Empfangschef ein paar vorsichtige Fragen bezüglich einer am Morgen neu zugezogenen jungen Dame stellen sollte, aber nach einigem Nachdenken verwarf ich den Gedanken.
Der Mexikaner ist der geborene Gentleman. Vielleicht — aber nur
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