Nicht alles Kraut ist grün
lenken würde. Dieser Mann konnte durchaus Milton Carling Calhoun sein, wenn er erst die richtige Masche für sie gefunden hatte. Aber als Privatdetektiv fühlte ich mich für Nachhilfestunden in Liebesdingen nicht zuständig. Da mußte er schon selber Lehrgeld zahlen.
Im El Golfo Motel nahmen wir zwei Zimmer. Ich sagte zu Nanncie: »Hier fährt ein Bus, mit dem Sie sich im alleräußersten Notfall in die Zivilisation zurückretten können. Aber wie gesagt: Sie warten besser, bis jemand Sie abholt.«
»Und wenn dieser Jemand kommt?«
»Dann machen Sie miteinander eine nette lange Spazierfahrt«, versprach ich.
»Treffen wir uns zum Frühstück in —«
»Bis zum Frühstück bin ich längst weg«, sagte ich. »Ich habe noch alle Hände voll zu tun.«
Ich ließ die Firmenkutsche auftanken und zog mit Nanncie zu einem der kleinen Restaurants. Es war schon spät, aber sie hatten noch gebackene Garnelen, die ihr glänzend schmeckten. So gutes Essen hatte sie offenbar nicht erwartet, und ich weidete mich an ihrem überraschten Gesicht.
»Passen Sie auf, daß Sie nicht zu viel Fett ansetzen«, warnte ich.
»Wie soll ich den Aufenthalt hier eigentlich finanzieren?« erkundigte sie sich.
»Wieviel Geld haben Sie denn?«
»Verflixt wenig.«
Ich lachte. »Sie haben sicher keine Hemmungen, Geld von mir anzunehmen, das ich von Calhoun als Spesen bekommen habe?«
»Sie werden staunen, Donald: Ich habe überhaupt keine Hemmungen, von Ihnen Geld anzunehmen, egal woher es kommt.«
Ich drückte ihr hundert Dollar in die Hand.
Sie betrachtete den Schein mit großen Augen.
»Das muß eine Weile reichen«, sagte ich. »Sie brauchen es nicht abzurechnen. Wenn Sie was übrig behalten — um so besser für Sie...«
»Aber das ist Ihr Geld!«
»Keine Angst, ich hole mir schon Nachschub.«
Sie zögerte. Dann kniff sie den Schein zusammen und steckte ihn in die Tasche. Ich hatte den Eindruck, daß sie lange nicht mehr eine so große Summe auf einmal besessen hatte.
Nach dem Essen holte ich ihr noch zwei Flaschen Tehuacan-Mineralwasser und einen Flaschenöffner und erklärte ihr, es sei besser als Wasser aus der Leitung.
Als ich mich verabschieden wollte, legte sie mir die Arme um den Hals und gab mir einen Kuß.
»Donald«, sagte sie, »ich weiß nicht, ob Ihnen schon mal jemand gesagt hat, daß Sie ein Pfundskerl sind . .
»Sagen Sie es mir jetzt?« fragte ich.
»Allerdings«, sagte sie und gab mir noch einen Kuß.
15
Ich war schon vor Morgengrauen auf und rollte die lange, einsame Nordstraße entlang. Das Meer blieb hinter mir zurück, das Gelände stieg an, und bald gondelte ich wieder durch die kahle Wüstenlandschafft.
Im Osten flammte es orangerot auf, die Sonne kam strahlend hinter den Bergen hervor, und die wenigen Wüstenpflanzen warfen lange dunkle Schatten.
Es war gar nicht so einfach, pünktlich zu Beginn der Vorverhandlung nach El Centro zu kommen. Ich schaffte es mit hängender Zunge.
Der stellvertretende Bezirksanwalt, der die Anklage vertrat, hieß Roberts, Clinton Roberts, und hatte offenbar eine recht hohe Meinung von seiner eigenen werten Person.
Er begann mit einer Rede an Richter Polk, den Vorsitzenden.
»Ziel dieser Verhandlung, hohes Gericht, ist es nicht, den Beweis für die Schuld des Angeklagten zu erbringen, sondern darzulegen, daß ein Verbrechen begangen worden ist, und daß hinreichender Grund zu der Annahme besteht, daß der Angeklagte in irgendeiner Weise an diesem Verbrechen beteiligt war.«
Richter Polk runzelte die Stirn. Daß ein sehr viel jüngerer Mann ihm einen Vortrag hielt, schien ihm nicht zu schmecken.
»Das Gericht ist sich über die Bedeutung einer Vorverhandlung durchaus klar, Herr Staatsanwalt«, sagte er. »Eine Erläuterung hierzu erübrigt sich.«
»Es handelt sich nicht um eine Erläuterung, hohes Gericht«, sagte Roberts. »Ich will nur darlegen, welche Aufgaben die Anklage zu erfüllen hat. Aufgrund der Prominenz und der gesellschaftlichen Stellung des Angeklagten gehen wir heute weiter als sonst üblich. Wir werden Material vorlegen, aus dem hervorgeht, worauf sich die Anklagevertretung bei der Hauptverhandlung stützen wird. Wenn der Angeklagte einen überzeugenden Gegenbeweis antreten kann, werden wir nur zu gern dafür plädieren, das Verfahren bereits jetzt und hier einzustellen.«
Anton Newberry verzog die schmalen Lippen zu einem spöttischen Lächeln. »Sie fordern also mit anderen Worten die Verteidigung auf, schon bei der Vorverhandlung
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