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Nicht den Ängsten folgen, den Mut wählen: Denkstationen eines Bürgers (German Edition)

Nicht den Ängsten folgen, den Mut wählen: Denkstationen eines Bürgers (German Edition)

Titel: Nicht den Ängsten folgen, den Mut wählen: Denkstationen eines Bürgers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Gauck
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und Schreiben uns hoffen lässt, die Zukunft könne Freiheit, Frieden und Recht bringen.
    Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ehrt Menschen, die uns geben, wovon wir zu wenig haben – und mit Ihnen, lieber David Grossman, hat der Stiftungsrat einen dieser inspirierenden Menschen gefunden. Wir finden eine sprachliche Kraft in Ihnen, die wir bewundern. Aber mehr noch finden wir Unbestechlichkeit, Mut, die Bereitschaft zur unerschrockenen Wahrnehmung dessen, was ist, und den festen Willen, nicht aufzugeben, wo andere verzagen. Deshalb danken wir Ihnen und gratulieren aus vollem Herzen!
    Schriftsteller, so sagten Sie einmal, werde man vor allem durch den Drang, Geschichten erzählen zu wollen. Aber was so einfach klingt, gerät angesichts der politischen Realität in Israel unausweichlich in abgründige Gefilde. Wo täglich Tod und Verletzung drohen, stoßen Hass und Verzweiflung den Menschen leicht in die Aggression oder in die Apathie. Als Schriftsteller, so sagten Sie daher auch, fühlten Sie sich aufgerufen, der Umklammerung der politischen Lage zu entgehen und das »Recht auf Individualität und Einzigartigkeit« zu reklamieren. Sie wollen auf Fanatismus und Gewalt nicht mit Fanatismus und Gewalt reagieren und weigern sich beständig, die schäbige Uniform des Hasses zu tragen. Sie wollen sich aber auch nicht ohnmächtig einem »Schicksal« unterwerfen und setzen alles daran, immer wieder die innere Freiheit für einen eigenen und alternativen Weg zu gewinnen.
    Dazu gehört eine innere Kraft, denn die militärische Bedrohung ist höchst real. Selbst wenn in gewissen Situationen militärische Stärke erforderlich sein mag, um die Bedrohung abzuwehren, wird viel zu leicht das als Normalität angesehen, was Sie beständig benennen: jener eklatante Mangel an Verständnis und Empathie.
    Und so steht nun, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ein Mann vor uns, dessen pure Existenz unserer ewigen Sorge, ob Leben gelingen kann, eine Antwort gibt. Darum macht uns die Begegnung auch glücklich. Denn indem wir diesem so besonderen Menschen begegnen, vermögen wir zu glauben, wozu auch wir fähig sind: Menschen sind nicht dazu verurteilt, Opfer ihrer Umstände zu sein. Menschen können sich selbst noch angesichts von Willkür und Diktatur eine Bewegungsfreiheit schaffen. »Ich entdeckte«, schrieben Sie, »dass ich allein schon durch die Auseinandersetzung mit der Willkür Freiheit erlange – vielleicht die einzige, die ein Mensch vor irgendeiner Willkür hat –, die Freiheit, die Tragik seiner Lage in eigene Worte zu fassen, die Freiheit, sich auf eine andere, neue Weise zu definieren, dem die Stirn zu bieten, was einen knebelt und einen in das Korsett der Willkür zwingt.«
    Mir ist dieser Gedanke sehr nahe. Denn als Bürger der DDR haben ich und viele andere Menschen im Osten Europas trotz Ohnmacht Ähnliches geschafft: Wir lebten ein wahres Leben im falschen.
    Ihre Literatur, David Grossman, ist Vorbild und Anleitung bei Reisen zu den anderen und zu uns selbst. Indem Sie uns mitnehmen in die Wirklichkeit Ihres Landes, nehmen Sie uns mit in die beängstigenden Gefühle von Verzweiflung, Depression, Hoffnungslosigkeit. Sie lassen uns aber auch teilhaben an dem Trost und dem Glück, wenn wir mit Ihnen erkennen dürfen: Nichts steht still, es gibt Auswege aus jeder Situation, es gibt heilende Erfahrung. Wir können neu denken und anders handeln lernen. Wir können tatsächlich gewinnen – durch innere Freiheit.
    *
    Lieber David Grossman,
    meine sehr verehrten Damen und Herren!
    Es war eine große Schicksalsstunde für das jüdische Volk, als ihm die UNO 1947 einen eigenen Staat zusicherte. Als Amerika und die Sowjetunion gemeinsam gegen die englische Mandatsmacht standen, obwohl der Kalte Krieg zwischen den Blöcken schon begonnen hatte.
    Schon vorher waren sie gekommen, die heutigen Bürger Israels, wenige legal, die meisten illegal, auf notdürftig hergerichteten Schiffen, oft von den Briten direkt vor der palästinensischen Küste aufgebracht. Flüchtlinge aus Europa, die den Krieg in den Konzentrationslagern, in der Sowjetunion, im Versteck, mit falschen Papieren oder in Partisaneneinheiten überlebt hatten. Juden aus den DP-Camps in Deutschland und Österreich, aus den Internierungslagern auf Zypern, aus Polen, aus Rumänien und Ungarn. Viele, die Zionisten nur aus Not geworden waren. Nicht alle mochten sich auf das umkämpfte Palästina freuen. Hätte man ihnen die Ausreise nach Amerika gestattet, so wären

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