Nicht die Bohne!
muss eine ordentliche Abfindung herausspringen. Die Kündigung ist unwirksam. Ich würde da gern den Kontakt zu meinem Freund Clemens herstellen. Der ist Arbeitsrechtler und kann dich wirkungsvoll vertreten.«
Punkt eins ist abgearbeitet. Ich habe das zwar alles noch nicht verdaut, geschweige denn die Tragweite begriffen, aber das Wort »Abfindung« klingt gut.
»Du bist echt schwanger?« Aha, wir sind bei Punkt zwei. Ich nicke ergeben.
»Wie viele Wochen ist man so üblicherweise schwanger?«
»Äh … vierzig insgesamt.«
»Das ist nicht viel.« Stirnrunzelnd betrachtet sie mich. Ich bin ja durch meine Tätigkeit als Tante schon in die Basics des Kinderbekommens eingeweiht, aber Mara hatte, soweit ich weiß, noch nie in ihrem Leben mit Menschen unter achtzehn zu tun. »Wie fühlt sich das an?«
»In mir schlagen zwei Herzen«, antworte ich ergriffen.
»Oha.« Sie starrt mich an. »Und du hast dich entschieden?«
Ich nicke, und sie nickt plötzlich auch. »Okay. Mach dir keine Sorgen. Wir schaffen das schon.«
So viel Fürsorge bin ich von Mara nicht gewohnt, und ich muss wieder weinen. Sie nimmt mich in den Arm und tätschelt mir den Rücken.
»Wir dürfen nicht permanent die Gearschten sein, nur weil wir Kinder bekommen können. Wir kriegen das schon hin mit dem … äh …«
»Der Projektname ist Bohne«, murmle ich an ihrem nach Chanel duftenden Hals.
»… mit der Bohne.«
Kapitel 7
Am nächsten Morgen klingelt mein Wecker pünktlich um sechs Uhr dreißig, und ich gehe kotzen. Um acht bin ich fertig angezogen und sitze mit meiner Götterspeise am Küchentisch. Es ist noch dunkel draußen, und irgendwie ist es auch dunkel in mir. Ich habe keinen Job mehr. Und ich bin schwanger. Und da ich weder über einen aktiven Kindsvater verfüge noch über ein ausreichendes Einkommen, um das Überleben der Bohne zu sichern, sind meine persönlichen Verhältnisse jetzt nicht mehr nur schwierig, sondern besorgniserregend.
Um zehn nach acht rufe ich Andrea an, um sie über die neusten Entwicklungen in Kenntnis zu setzen. Um zwanzig nach acht ruft Justine mich an, und ich weiß, dass sie es weiß. Mara ist zwar eine Heldin der Frauenbewegung, aber sie quatscht wie ein altes Waschweib. Es tut mir so leid, dass ich aus Dummheit einfach so geschwängert werde und Justine es trotz marathongleichen Trainings seit Jahren einfach nicht schafft. Aber sie ist tapfer und freut sich für mich. Und spontan muss ich wieder heulen, weil ich eine so großherzige Freundin wie Justine habe.
Um Viertel vor neun ruft Olaf an, der sich nach dem aktuellen Bohnen-Projektstand erkundigen will. Bei dieser Gelegenheit erläutere ich ihm auch gleich, dass ich ab sofort mittellos bin. Da Olaf sich natürlich hervorragend in der Welt auskennt, empfiehlt er mir, umgehend das Arbeitsamt aufzusuchen. Klugscheißer! Wenn ich hier noch länger gesessen hätte, wäre mir das auch selbst irgendwann eingefallen. Oder eine meiner klugen Freundinnen hätte es mir gesagt. Kurz bevor wir das Gespräch beenden, fängt er plötzlich an, höchst emotionale Dinge von sich zu geben. Erstaunt halte ich dabei inne, den dritten Becher Götterspeise möglichst lautlos in mich hineinzuschlürfen. Es sei ja aus mit uns beiden, faselt er. Und die Bohne sei davon ja völlig unberührt. Aber er hätte sich verliebt. In eine Frau. Deswegen sei er jetzt nicht mehr ungebunden. Und er habe mir diese außerordentliche Mitteilung persönlich überbringen wollen.
Ich horche kurz in mich hinein und fahnde nach sich jaulend windenden Teilen meiner Seele, die Ausdruck eines noch nicht abgeschlossenen Ablösungsprozesses sein könnten. Ich werde nicht fündig.
»Sie muss aber wissen, dass du Vater wirst«, sage ich, bevor ich ihm gratuliere.
»Das weiß sie«, versichert er mir schnell, und endlich kann ich auflegen, um mich dem vierten Becher grüne Grütze zu widmen. Dann kippe ich die restliche Milch in mich hinein und stelle mir vor, welch herrlich lindgrüne Suppe jetzt durch meinen Magen wabert.
Was ist nur los mit mir?, frage ich mich verwundert. Vor ein paar Wochen hätte ich doch noch jedem kommentarlos die Nase gebrochen, der mir ein Leben als alleinerziehende, arbeits- und karrierelose Mutter vorausgesagt hätte. Dazu noch mit einem Kindsvater, der direkt nach der Trennung nichts Besseres zu tun hat, als sich eine neue potenzielle Kindsmutter für seinen Nachwuchs zu suchen, und mir einen Besuch beim Arbeitsamt empfiehlt. Stattdessen sitze ich plötzlich
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