Nicht die Bohne!
versucht. Das ist sozusagen hirseunabhängig.
Ich schüttle den Kopf, schlucke die Pampe herunter und sage: »Ich bin seit heute arbeitslos.«
Die Reaktion fällt aus wie erwartet. Erst mal schweigendes Hirsebrei-Essen. In dieser Zeit denken die beiden sehr intensiv über meine Worte nach, ich kann es förmlich sehen. Ihre karriereambitionierte Tochter, die sich so nahtlos in die kapitalistische Wirtschafswelt einfügte, ist arbeitslos. Was mag da bloß passiert sein? Schließlich räuspert sich mein Vater, legt geräuschvoll den Löffel auf den Tisch und fragt: »Möchtest du darüber reden?«
Es gibt sie wirklich, die Menschen, die dich immer erst mal fragen, ob du drüber reden möchtest. Meine Eltern haben diese Welle vermutlich erfunden. Also nicke ich, und nun legt auch meine Mutter ihren Löffel weg. Ich tue es ihnen gleich und füge noch hinzu: »Außerdem bin ich schwanger.«
Schweigen. Diverse Muskeln im Gesicht meiner Mutter zucken. Mein Vater sagt: »Oha!«
»Das ist … Schatz, das ist wunderbar!«, bricht es schließlich aus meiner Mutter heraus, und mein Vater zischt im selben Atemzug: »Pschht! Vielleicht weiß sie noch nicht, was sie tun wird. Setz sie nicht so unter Druck!«
Wieder zucken die Gesichtsmuskeln meiner Mutter, aber sie versucht sich druckfrei und vor allen Dingen leise zu freuen.
»Ich bekomme das Kind.« Das klingt, als ob ich gerade eine neue Religion verkünden würde. Niemals habe ich mich erwachsener gefühlt. Plötzlich fangen meine Hände an zu zittern, und dann muss ich mal wieder heulen. Hoffentlich höre ich mit dieser nervenaufreibenden Verhaltensstörung irgendwann wieder auf. Es wird langsam anstrengend.
Meine Mutter springt förmlich über den Tisch und reißt mich an ihre Brust, und mein Vater verkündet der verwirrt dreinblickenden Paris: »Ich werde OPA !«
Ich sage ja, meine Eltern sind seltsam, und sie haben eine Meise, aber eigentlich sind sie fantastisch. Sie freuen sich einfach, dass Enkel Nummer drei unterwegs ist. Obwohl es keinen Kindsvater gibt und ich über null Komma null Einkommen verfüge.
»Du kannst zu uns ziehen!«, trötet meine Mutter mir ins Ohr, und ich zucke schmerzlich zusammen. Na klar, das wäre wirklich die Krönung meines verkorksten Lebens: Back to Mama in das gemütliche Bauernheim!
Kapitel 8
Beim Abschied hat meine Mutter mich noch an eine eigentlich sehr vorhersehbare und kurz bevorstehende Tatsache erinnert: In acht Tagen ist Weihnachten!
Halleluja. Ob ich jemals in meinem Leben eine geruhsame und friedliche Vorweihnachtszeit erleben werde? Vielleicht gibt es die gar nicht, und sie wird uns von der Weihnachtsindustrie nur gekonnt vorgegaukelt? Ich weiß nicht warum, aber seitdem ich in holder Unschuld das traute Heim meiner Eltern verlassen habe, trifft mich dieses Fest immer völlig unvorbereitet.
Da ich eh nichts Besseres zu tun habe – o mein Gott, ich hatte in den letzten zehn Jahren immer etwas Besseres zu tun! Erschütternd, welche Wende mein Leben genommen hat –, fahre ich nach der Hirsepampe und der Zusicherung elterlicher Liebe trotz Arbeitslosigkeit und erschreckender Schwangerschaft in die Stadt. Weihnachtsshopping. Noch ist Geld auf dem Konto. Nutzen wir die Gunst der Stunde.
Etwas irritiert registriere ich an der Auffahrt zu meinem Lieblings-Shopping-Center in der Braunschweiger Innenstadt, dass wohl die gesamte Bevölkerung der westlichen Hemisphäre ebenfalls nichts Besseres zu tun hat. Ich schaffe es gerade bis zu der mit bunten Lichtern weihnachtlich geschmückten Einfahrt, dann stoppt mich ein rot blinkendes Licht und kommentiert den absoluten Stillstand mit rot blinkenden Lettern: »Parkhaus voll«.
Verbindlichsten Dank auch. Verfügt dieses Parkhaus nicht über ein entsprechendes Berechnungssystem, welches VORHER kalkuliert, wie viele Autos noch hineinpassen? Kann ja nicht so schwierig sein, oder? Aber nein, erst als ich von gefühlten siebzig Autos eingekeilt vor der Schranke stehe, werde ich über die Überfüllung in Kenntnis gesetzt. Zu allem Überfluss fängt der Typ hinter mir in seinem Mini auch noch an zu popeln. Sehr tief, sehr ergebnisreich. Ich sollte wegsehen, aber aus irgendeinem Grund kann ich meinen Blick nicht vom Rückspiegel abwenden. Mein Magen, bis zum Anschlag mit Hirsegrütze gefüllt, gibt seltsame Brummlaute von sich. Um mich abzulenken, zücke ich einen Kugelschreiber und ein Notizbuch. Fleißige Arbeitsbienen führen immer ausreichend leere Zettel und entsprechende Stifte mit
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