Nicht die Bohne!
diese logische Konsequenz der aktuellen Geschehnisse war ich vorher wohl einfach zu geschockt und zu müde. Jetzt heule ich sturzbachartig, und Mara fragt scharf: »Wo bist du?«
»Suuuhause«, schluchze ich.
»Bin in zehn Minuten da!« Rums. Aufgelegt. Und tatsächlich, neun Minuten und dreißig Sekunden später klingelt das Sonder-Einsatzkommando » MARA « Sturm an der Wohnungstür.
Ich hieve mich aus dem Bett und eile ihr entgegen. Kaum habe ich die Klinke runtergedrückt, schiebt Mara die Tür von der anderen Seite schon beherzt auf. In ihrem Gesicht lese ich Kampfeswillen. Sie ist bereit, jeden zu erlegen, der mir etwas Böses will. Da hat sie in diesem Fall reichlich zu tun, und ich schluchze noch einmal theatralisch auf.
»Olaf, der Penner, oder dein Chef?«, schleudert sie mir entgegen, und ich antworte: »Beide!«
»Scheißkerle!« Wütend packt sie mich am Arm und manövriert mich in meine Küche. Dann drückt sie mich auf einen Küchenstuhl und setzt sich direkt daneben. »Sprich!«
Mara neigt zum Imperativ. Deswegen nennen wir sie, neben GSG -Mara, auch liebevoll Mrs. Diktator. »Klar, knackig, auf den Punkt« ist eine ihrer Kommunikations-Strategien im Umgang mit anderen Menschen. Ihre Kollegen in der Bank zittern ehrfürchtig, wenn sie im Stechschritt über die Flure marschiert. Mara ist eine höchst emanzipierte Frau, und jede Geschlechtsgenossin, die es wagt, nicht mindestens ebenso starke emanzipatorische Gedanken zu hegen oder gar in männlicher Unterdrückung lebt – und laut Mara ist dieser Tatbestand schon mit der Existenz eines gemeinsamen Kontos erfüllt –, wird von ihr als vom Patriarchat vollhypnotisiert beschimpft. Damit ist sie zwar das Gegenteil von fürsorglich, aber ihre sachliche, etwas harsche Art hilft mir jetzt, mich zu sammeln und dann Folgendes von mir zu geben: »Ich habe gerade meinen Job verloren. Er hat mich weggemobbt. Und ich bin schwanger. Von Olaf. Es war keine Absicht. Aber ich bleibe schwanger.«
Ich finde, das war klar, knackig und auf den Punkt gebracht, und Mara sieht das wohl genauso. Das erste Mal, seit wir uns kennen, erobert ein fassungsloser Gesichtsausdruck ihr hübsches Puppengesicht. Die Fassungslosigkeit weicht nur Sekunden später echtem Entsetzen. Ihr Blick wandert einmal über meine Brüste, zum Bauch und wieder zurück. Tapfer sage ich: »Elfte Woche. Glaub ich. Noch nix zu sehen. Ich muss nur kotzen.«
Und dann erzähle ich ihr alles. Als ich fertig bin, sagt sie nur: »Oh, scheiße!«, womit sie meine aktuelle Lage sehr knackig auf den Punkt bringt.
»Ich brauch Alkohol«, haucht sie dann und umklammert meinen Küchentisch mit den Händen.
»Keiner da. Bin schwanger. Grüne Götterspeise?«
Verächtlich hebt sie die Augenbrauen. »Da würde ich auch kotzen«, murmelt sie und steht auf, um sich höchstpersönlich vom alkoholfreien Zustand meines Kühlschranks zu überzeugen. Sie kommt zurück und trägt eine Flasche fettarme Bio-Milch vor sich her. Dann zückt sie ein Glas und gießt sich ein. Nach dem ersten Schluck schließt sie die Augen und erstarrt in dem für sie sehr typischen Nachdenkmodus.
Mara kann alles durchdenken. Ich vermute mal, dass sie auf diese Weise auch eine Lösung für den Weltfrieden und die Staatsverschuldung erdenken könnte. Hat sie aber aus unerfindlichen Gründen bis jetzt noch nicht getan. Egal, was kümmert mich der Weltfrieden, jetzt bin ich selbstsüchtig und erwarte eine gut durchdachte Lösung für meine eigene Situation. Und da kommt sie auch schon: »Eine Abmahnung ist in bestimmten Fällen vor dem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung notwendig. Abgesehen davon, dass es immer wieder Streit gibt, ob im Einzelfall das Erfordernis der Abmahnung vor einer verhaltensbedingten Kündigung besteht oder nicht, ist eine Abmahnung entbehrlich, wenn das Fehlverhalten des Arbeitnehmers als so schwerwiegend angesehen wird, dass es die sofortige Kündigung rechtfertigt. Beleidigungen fallen in die Kategorie schwerwiegend.«
»Wow«, sage ich anerkennend. »Du bist besser als das BGB .« Mara hat ein paar Monate lang Jura studiert, und offensichtlich ist da einiges hängen geblieben.
»Das ist Arbeitsrecht und steht nicht im BGB «, antwortet sie huldvoll. »Aber letztendlich hast du dir selbst einen Kündigungsgrund geliefert.«
Ich schlucke. Gut gemacht, Stimme im Kopf von Paula.
»Aber … du bist schwanger! Das ist verdammt gut.« Sie stockt kurz und berichtigt sich: »In dieser Situation zumindest. Da
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