Nicht die Bohne!
erstaunlich fester Stimme, und seine Gesichtsfarbe dunkelt von Hummerorange zu Signal-Blutrot nach. »Dem Ganzen hätte ja wohl eine Abmahnung vorangehen müssen«, füge ich hinzu. In meinem Magen befindet sich jetzt ein Eisklumpen, und der verfügt über die Macht, alle meine Worte auf Arktistemperatur abzukühlen.
»Die haben Sie gekriegt.« Er dreht beim Sprechen jetzt ganz leicht den Kopf und spuckt in Richtung Gummibaum.
»Nicht angekommen.«
»Auf Schreibtisch gelegt.«
»Nicht angekommen.« Und dann höre ich auf zu denken, und eine weitere der mir bisher unbekannten Stimmen spricht aus mir. »Aber wissen Sie was – Sie wollen mich rausschmeißen? Bitte schön. Ich bin dann mal beim Betriebsrat.«
Was tue ich hier? Ich brauche den Job. Dennoch springe ich auf und gehe zur Tür, während er hinter mir her knurrt. Ich verstehe nur einzelne Wörter und wundere mich, dass der Weg zur Tür so lang ist. Allerdings ist eins der Wörter »dumm« und ein anderes »Ziege«, weshalb ich stehen bleibe und mich umdrehe. Immer noch Lichtjahre von der Tür entfernt.
»Herr Dr. Hückelmann. Ich möchte gerne davon absehen, mich verbal mit Ihnen zu duellieren, da Sie ja offensichtlich unbewaffnet sind. Ich möchte Ihnen nur ans Herz legen, für Ihre Profilneurose umgehend psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen.«
Er starrt mich mit offenem Mund an, während ich auf dem Absatz kehrtmache und weiter auf die Tür zusteuere.
Dr. Hückelmann ist ein Arschloch mit einer ausgeprägten narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Eigentlich habe ich das immer gewusst. Ich werde hier, in diesem mit schlechtem Chi verpesteten Raum, die kleine Bohne mit keinem Wort erwähnen. Das wäre, wie einen Schmetterling auf die A2 zu schmeißen.
Ich packe meine Sachen und schließe die Vorzimmertür hinter mir. Ich habe gerade meinem Chef die Meinung gesagt und meinen Job geschmissen. Ach du Schreck!
Kapitel 6
Im Betriebsratsbüro ist die Hölle los. Offensichtlich hat Dr. Arsch mich telefonisch angekündigt. Drei sehr aufgeregte Menschen nehmen mich in Empfang. Mit aufsässigen Mitarbeitern hat dieses Unternehmen sonst nicht so viel zu tun; hier sind alle zwar immer leicht beleidigt, aber friedlich, und somit habe ich jetzt vermutlich den Stempel: radikale Emanze im Ausnahmezustand!
Einer der Menschen drückt mir kommentarlos und aufmunternd einen Kaffee in die Hand, was meinen Magen dazu veranlasst, umgehend das Frühstück wieder von sich zu geben. Er gibt mir, wie üblich, siebenundvierzig Sekunden, um Freundschaft mit dem Betriebsratsklo zu schließen. Zum Glück kenne ich die Örtlichkeiten noch von meinem Einstellungsgespräch, sonst hätte ich Frau Wilken wohl in den Papierkorb gekotzt.
Frau Wilken ist auch diejenige, die aufgeregt hinter mir auf und ab springt und haucht: »Brauchen Sie Hilfe?«, während sie mir feuchte Tücher reicht. »Was ist denn bloß passiert?«, empört sie sich dann über meinem gekrümmten Oberkörper hinweg und fügt noch hinzu: »Was machen wir denn jetzt mit Ihnen?«
Folgende Antworten auf ihre Fragen fallen mir ein:
1. Ich brauche definitiv Hilfe!
2. Große Scheiße ist passiert. Ich habe Dr. Arsch gesagt, dass er einen an der Waffel hat!
3. Wenn ich das nur wüsste!
Als mein Magen endlich damit fertig ist, seinem Lieblingshobby zu frönen, streicht Frau Wilken mir geradezu liebevoll eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Wäre ich nicht immer noch im Kampfmodus, würde ich ihr umgehend in die Arme sinken und um Adoption bitten. So aber sage ich mit fester Stimme: »Nichts hiervon ist wahr, bis auf die Verspätungen.« Dabei wedele ich mit der Liste in Arial Punkt 12, die ich während der ganzen Kotzorgie tapfer umklammert gehalten habe. »Ich habe keine Abmahnung bekommen, und außerdem bin ich schwanger.«
Somit sind erst mal alle Fakten auf dem Tisch, und augenblicklich scheint das Betriebsratsherz von Frau Wilken einen Gang höher zu schalten. Schwangere Mitarbeiterinnen sind nämlich ihr Spezialgebiet. Das weiß ich, weil das Mobben von schwangeren Mitarbeiterinnen ein Spezialgebiet dieses Unternehmens ist und Frau Wilken sozusagen immer mit gezücktem Breitschwert durch die Abteilungen läuft, um für die Rechte der befruchteten Mitarbeiterinnen zu kämpfen.
Kurze Zeit später sitzen wir zu viert am runden Tisch im Besprechungszimmer. Das Resultat ist ernüchternd, um nicht zu sagen hoch kompliziert. Weil ich schwanger bin, können sie mich nicht rausschmeißen und wollen es auch gar
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