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Nicht die Bohne!

Nicht die Bohne!

Titel: Nicht die Bohne! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Steffan
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kalte Dezemberluft zurück zu meinem Golf. Arbeitslosigkeit scheint grundsätzlich eine sehr komplizierte Sache zu sein. Außerdem habe ich der Frau mit der schrecklichen Frisur nicht von der Bohne erzählt. Und der damit einhergehenden Unwirksamkeit der Kündigung. Bekomme ich dann überhaupt Geld vom Amt? Wie soll das bloß alles weitergehen?
    Mutlos setze ich mich in mein Auto und wickle mir meinen Schal fester um den Hals. Ich könnte jetzt einen Averna vertragen. Oder einen Gin Tonic. Oder einen Glühwein, der würde dann vermutlich auch gegen meine kalten Füße helfen. Oder alles zusammen. Ich bin so erschöpft von den Papieren in meiner Handtasche, der Frau mit der krassen Frisur, der Bohne in meinem Bauch und meinem Leben an sich, dass ich erst mal so sitzen bleibe.
    Damit ich nicht erfriere, schalte ich irgendwann den Motor ein und drehe die Lüftung auf wärmste Stufe. Den Wahlhebel der Automatik auf »D« zu stellen und aus der Parklücke zu fahren ist allerdings für den Moment noch zu viel verlangt. Stattdessen kuschle ich mich tiefer in den Sitz. Die Sitzheizung, von mir liebevoll »Muschitoaster« genannt, gibt alles, und ich taue langsam von den Pobacken an aufwärts auf. Nur bewegen kann ich mich immer noch nicht. Ich bin paralysiert von dem ganzen Elend.
    Irgendwann klingelt mein Handy. Tief unten in meiner Karrierefrauen-Handtasche flötet es leise und diskret die Titelmelodie von Grey’s Anatomy . Da ich die letzten Jahre scharf darauf konditioniert wurde, niemals, ich wiederhole: NIEMALS , einen Anruf zu verpassen, reißt mich dieser zarte Klingelton endlich aus meiner Lethargie. Hektisch beginne ich im dunklen Grund der Tasche zu wühlen und zerre alles aus deren Untiefen hervor: Lippenstifte, Tampons, Kugelschreiber, Bonbons, bis ich endlich mein Handy in der Hand halte, das natürlich in diesem Moment verstummt. Warum hat denn auch noch niemand eine Handtaschen-Innenbeleuchtung erfunden?
    Ich klicke mich in die Liste der entgangenen Anrufe und lese: »7 Anrufe in Abwesenheit«. Wow. Ich bin gefragt. Wieso habe ich genau sechs Mal mein Handy nicht gehört? Einen Tag arbeitslos und schon gehöre ich zu den Menschen, die ihr Handy auch zwei Wochen in einer Schublade ablegen könnten, ohne es zu bemerken?
    Ich beschließe, strategisch vorzugehen, und höre als Erstes meine Mailbox ab.
    Anruf Nummer 1: Meine Eltern. Sie sind nach wie vor höchst entzückt, noch einen Enkel zu bekommen, und sie versichern mir: Alles wird gut! Na, eure positive Energie in Gottes Gehörgang.
    Anruf Nummer 2: Frau Wilken vom Betriebsrat. Sie wollte sich nur kurz melden, um zu hören, wie es mir geht. Kein Wort von einer Abfindung. Dafür flüstert sie, was mich vermuten lässt, dass dieser Anruf außerhalb des Protokolls stattfindet. Herr Dr. Arsch hat vermutlich bereits eine neue Arbeitsbiene in sein Vorzimmer gezerrt, um sie niederzumachen.
    Anruf 3: Hanne und Andreas, meine Exkollegen. Originalton: »Kannst du uns mal erklären, was hier los ist? Gerade ging eine Mail rum, dass du sofort aus dem Unternehmen ausscheidest! Melde dich!« Sie klingen empört und erschüttert gleichzeitig. Und sie haben synchron meine Mailbox besprochen. Den ersten Satz Hanne, den zweiten Andreas, den dritten zusammen. Wenn offiziell mitgeteilt wird, dass ich raus bin, wollte mich das Archiv dann wohl wirklich nicht haben.
    Anruf 4: Meine Freundin Justine. Sie bittet um Rückruf.
    Anruf 5: Jutta. Wo ich bin, was ich tue, ich soll umgehend Meldung über meine aktuelle Befindlichkeit machen. Aye, aye, Mam!
    Anruf 6: Meine Schwester Andrea. Dumpfe Kampf- und Brüllgeräusche im Hintergrund. Ich vermute, sie ist in der Besenkammer, denn dort versteckt sie sich manchmal, um ungestört zu telefonieren, während die Brut das Haus auseinandernimmt. Keine wichtigen Infos, nur die Aufforderung, mich zu melden.
    Anruf 7: Olaf. Er fragt, ob das mit dem Arbeitsamt geklappt hat. Das sei ja doch exorbitant wichtig für die weitere finanzielle Absicherung des Bohnen-Projekts.
    ARSCHGEIGE ! Könnte er nicht mal fragen, ob ich noch kotzen und Wackelpudding essen muss? Nein, ihm ist nur wichtig, woher die Knete kommt. Idiot. Vermutlich bekommt er langsam kalte Füße. Eine mittellose Frau als zukünftige Mutter der eigenen Brut ist doch keine so spaßige Angelegenheit.
    Ich seufze und stöpsele mir mein Headset ins Ohr. Dann lege ich den Rückwärtsgang ein, um diesem deprimierenden Ort und der dazugehörigen Gemütsverfassung endlich den Rücken zu

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