Nicht die Bohne!
liegt in solchen Fällen üblicherweise zwischen sechs und zwölf Monatsgehältern. Aber das ist reine Verhandlungssache. Allerdings kann der Aufhebungsvertrag auch nach den Vorschriften des Dritten Sozialgesetzbuches Auswirkungen auf das Arbeitslosengeld haben im Sinne einer Anrechnung beziehungsweise Sperrfrist. Steuerrechtliche Aspekte, insbesondere nach dem Einkommenssteuergesetz, wären auch noch zu berücksichtigen. Aber wenn Sie von der Möglichkeit des Aufhebungsvertrags Gebrauch machen möchten, können Sie diese Aspekte mein Problem sein lassen, sofern Sie möchten, dass ich Sie rechtlich vertrete.«
Dr. Clemens Morgenroth blinzelt erneut mit seinen hübschen braunen Augen und wirkt nach diesem Vortrag leicht erschöpft.
»Ja, ich will«, sage ich ernst, und der Jurist strahlt über das ganze Gesicht, als hätte ich ihm gerade die lang ersehnte Carrera-Bahn geschenkt.
»Das freut mich sehr«, sagt er inbrünstig und fährt sich mit den Händen über die raspelkurzen Haare.
»Das sieht gut aus für dich, Paula!« Mara klinkt sich wieder ins Gespräch ein und lehnt sich offensichtlich hocherfreut und zufrieden auf ihrem Lederstuhl zurück. Ich bin unfassbar erleichtert, wenigstens werde ich nicht umgehend dem Hungertod anheimfallen. Geld scheint, wenigstens mittelfristig, aufs Konto zu kommen. Das ist fein.
Der Jurist reicht mir eine Karte, die ich, wie im Management-Knigge-Seminar gelernt, erst mal ausgiebig studiere. Zumindest tue ich so. Kein Mensch liest die diversen Telefonnummern, Adressen und Blablabla-Titel, aber um dem anderen in seiner Wichtigkeit zu huldigen, sollte man wenigstens so tun. Da Herr Dr. Clemens Morgenroth für mich und die Bohne zurzeit ganz extrem wichtig ist, huldige ich ihm gerne.
Mara winkt nach dem Kellner, und ein blonder Jüngling ganz in Schwarz kommt an unseren Tisch geschossen. »Ich hätte gerne einen Espresso«, verkündet sie, ohne ihre selbstzufriedene Sitzposition zu verändern.
»Ich auch«, seufze ich. Soll die Bohne sich doch wehren, ein guter Espresso ist fast gesund, und da muss sie jetzt durch. Es gibt was zu feiern, und da ich mich nicht betrinken kann, wird ja wohl ein kleiner Espresso drin sein.
»Für mich nicht.« Der Jurist schüttelt abwehrend die Hände. »Ich bekomme von Kaffee so schlimmen Zahnstein«, vertraut er uns an, was Mara dazu veranlasst, lauthals zu brüllen: »Francesco, für mich einen dreifachen!«
Dies tut sie vermutlich nur, um zu demonstrieren, dass sie, Mara Wegener, keine Angst vor Furz und Feuerstein hat, und schon gar nicht vor so einem popeligen Zahnstein. Manchmal übertreibt sie etwas, wie ich finde.
Zahnsteingefahr hin oder her, der Espresso schmeckt außerordentlich gut, und die Bohne scheint gerade anderweitig beschäftigt zu sein, zumindest ist mein Magen ruhig wie die Ostsee im August. Der Jurist lässt mich nicht aus den Augen, und als ich andächtig den letzten Rest der schwarzen Brühe mit dem kleinen Löffel aus der Tasse klaube, schenkt er mir ein zaghaftes Lächeln.
Also, wüsste ich es nicht besser, würde ich glatt behaupten, der Rechtsversteher versucht einen kleinen Flirt mit mir. Ob er wohl einen klitzekleinen Komplex hat? Trotz seiner ansprechenden Optik? Ich meine, kein Mann würde doch wohl eine schwangere Arbeitslose, die in persönlich schwierigen Verhältnissen lebt, anbaggern?
Mara steht auf und lässt mich mit dem Juristen alleine, weil sie Pipi muss. Als sie außer Hörweite ist, raunt er: »Haben Sie keine Sorge, Paula. Ich helfe Ihnen. Das Recht und ich sind auf Ihrer Seite.«
Ich bin erfreut, das zu hören, dennoch klimpere jetzt ich etwas verschämt mit den Wimpern. Er baggert mich ganz definitiv an.
»Wir sollten uns bald wieder treffen, um alles Weitere zu besprechen. Ein paar Dinge müssten Sie auch unterzeichnen, und dann kann ich loslegen.« Aufmunternd lächelt er mir zu. »Wenn Sie mögen, können wir uns auch zum Essen treffen. Das ist vielleicht etwas … äh, angenehmer als in der Kanzlei.«
Gott, bin ich froh. Einen Moment lang dachte ich, er wollte »intimer« sagen. Dann hätte ich leider gehen müssen. Männer, die dieses Wort benutzen, stehen auf meiner persönlichen schwarzen Liste ganz oben. Sogar noch vor Touareg-Fahrern mit silbernem Spoiler auf dem Dach. »Intim« ist in meiner Welt gleichzusetzen mit unverlangtem Angrabschen unter dem Tisch und ähnlichen »intimen« Hässlichkeiten.
»Das können wir machen«, antworte ich also erleichtert und lächle jetzt
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