Nicht die Bohne!
her?
Vielleicht ist es ja auch irgendwie gefährlich, schon in der zwölften Woche so schwanger auszusehen, grüble ich nach. Unter Umständen ist mein Körper so sehr damit beschäftigt, das Brustgewebe aufzuplustern, dass für die Bohne keine Nährstoffe mehr übrig bleiben? Leicht panisch greife ich nach meinem Handy. Ich muss sofort jemanden, der Ahnung von der Materie hat, mit dieser Frage belästigen.
Nach dem zehnten Klingeln geht Andrea endlich ans Telefon.
»Warum rufst du nicht auf dem Festnetz an?«, fragt sie mich als Erstes. Sie ist so … vernünftig. Allerdings auch erst, seitdem sie Mutter ist.
»Weil ich keins habe«, antworte ich wahrheitsgemäß.
»Stimmt ja«, stöhnt sie, und ich höre Julian im Hintergrund wimmern.
»O Gott. Alles okay bei euch?«, frage ich erschrocken.
»Er ist krank und eine Memme«, stellt sie sachlich fest. »Er heult die ganze Nacht, und tagsüber hört er nur auf mit der Jammerei, wenn er die kleinen Einsteins in Dauerschleife sehen darf. Ich bin so müde, ich könnte SOFORT einschlafen.«
Ich erwarte eine weitere Ausführung, aber sie schweigt. Vielleicht ist sie ja eingeschlafen?
»Hallo?«, frage ich zaghaft.
»Ich wollte mich eigentlich schon die ganze Zeit bei dir melden. Tut mir leid. Hier ist einfach die Hölle los. In diesem Haus sieht es aus, als ob eine Herde Büffel durchgeprescht wäre, und ich habe seit acht Tagen keine Nacht länger als zwei Stunden geschlafen. Und die nicht am Stück.«
Was sind große Brüste dagegen doch für ein lächerliches Problem.
»Wie geht es dir denn?«, fragt sie in diesem Moment, und ich muss … heulen. War ja klar. Weil sie so großherzig ist und mich trotz ihres desolaten Zustandes fragt, wie es mir geht.
»Meine Brüste sind exorbitant groß, und ich habe einen Bauch, der da vor einer Woche noch nicht war«, sage ich schnell.
»Welche Woche?« Sehr elementare Frage, die mir in letzter Zeit immer häufiger begegnet. Allerdings stellen sie nur Frauen, die die heiligen vierzig Wochen schon hinter sich haben. Daran erkennt man Mütter. Daran und an den mit Bazillen verseuchten Taschentüchern in ihren Jeans. Und vielleicht noch den Rändern unter den Augen.
»Zwölfte.«
»Hast du mit dem Kotzen aufgehört? Und hast du in dieser ekligen Phase abgenommen?«
»Ja und ja.« Bitte, ich habe vier Wochen von Wackelpudding und trocken Brot gelebt. Davon wird man wohl kaum adipös.
»Dann liegt es daran. Du warst ja schon vorher schlank. Bei sehr dünnen Frauen sieht man die Schwangerschaft natürlich früher als bei etwas dickeren. Und außerdem«, sie senkt verschwörerisch die Stimme, »dicke Brüste sind bei dir auch etwas sehr Relatives.«
»Danke, Schwester!«, antworte ich, und in derselben Sekunde fängt Julian an zu brüllen, als hätte ihn einer der wilden Büffel in Andreas Haus auf die Hörner genommen.
Unbeeindruckt sagt sie: »Nichts passiert. Er will nur Apfelsaft. Wir telefonieren die Tage!«, und legt auf.
Gut, es scheint eine Erklärung für den plötzlichen Dolly-Buster-Zustand oberhalb meines Bauchnabels zu geben. Außerdem habe selbst ich schon mitbekommen, dass dicke Brüste zu einer Schwangerschaft dazugehören wie Sahne auf den Erdbeerkuchen. Aber es ist doch wirklich etwas ganz anderes, davon zu hören, als es dann am eigenen Leib zu erfahren. Vielleicht sollte ich trotzdem Dr. Ganter kontaktieren und nicht bis Anfang Januar auf die nächste Vorsorgeuntersuchung warten? Aber was soll ich ihm sagen – meine Brüste sind dick? Hm, das scheint nichts zu sein, womit man seinen Frauenarzt so kurz vor Weihnachten jeck machen sollte.
Ich beschließe, die Sache etwas entspannter zu sehen, und wühle mich als Erstes durch meinen Kleiderschrank, um eine geeignete Aufbewahrungsmöglichkeit für die beiden Mädels zu finden. Schließlich schlüpfe ich in ein altes Sportbustier, das sie etwas im Zaume hält. Ich brauche einen neuen BH , so viel steht mal fest. Somit wird die Liste der Dinge, die ich dringend benötige, immer länger: neuer Job, neue Wohnung und jetzt noch ein neuer BH . Aber im Gegensatz zu den anderen Punkten auf meiner Liste kann wenigstens dieses Grundbedürfnis schnell bedient werden, indem ich morgen noch mal einen kurzen Abstecher in die Stadt mache.
Kapitel 13
Am Nachmittag besucht mich Tom spontan auf einen Kaffee. Er arbeitet ja sonst schon nicht viel, vor Weihnachten aber aus Prinzip nicht, und so hat er Zeit. Ich sehe fatal aus. Ungewaschene Haare, Snoopy-Shirt,
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