Nicht die Bohne!
arbeitende Produzentengemeinschaft sucht Assistentin für Vertrieb und Buchhaltung. Teilzeit. Sie müssen hinter der Sache stehen! Bewerbungen bitte an Elena Meyer, Hegewalder Str. 3«
Ich bin selbst erstaunt, wie schnell ich meinen Laptop aus dem Schlaf gerissen und eine aussagekräftige Bewerbung zusammenfabuliert habe. Was Frau Elena Meyer auch immer mit dem kryptischen Satz »Sie müssen hinter der Sache stehen!« meint – ich stehe definitiv hinter der Sache.
Immerhin habe ich ökologisch wertvolle Eltern, da bekommt man so einiges mit. Dann krame ich noch nach einem aktuellen Passbild – zum Glück hatte ich gerade welche für meinen Betriebsausweis machen lassen – und tüte das Ganze ein. Wenn man bedenkt, dass ich bei meiner letzten internen Bewerbung fünf Tage und drei Gegenleser gebraucht habe, geht mir das hier flott von der Hand. Von der Bohne sage ich natürlich noch nichts. Ich bin ja nicht blöd.
Auf dem Weg zu Dr. Ganter schmeiße ich den Brief ziemlich unzeremoniell in den nächsten Briefkasten. Die letzte Bewerbung musste Jutta noch mit Steinstaub und guten Wünschen versehen – so ändern sich die Zeiten.
Dr. Ganter ist sehr erfreut, mich und die Bohne zu sehen. Heute tummeln sich keine weiteren Schwangeren mit mir im Wartezimmer, und er kümmert sich wohl lieber um werdende Mütter als um Vaginalpilze und Scheidentrockenheit. So kommt es mir zumindest vor, als er mich persönlich aus dem mit Frauenzeitschriften vollgestopften Stuhlkreiszimmer abholt.
Fröhlich händigt er mir meinen Mutterpass aus, das erste amtliche Dokument dieser Schwangerschaft, bevor er erklärt, dass ich gar entzückend aussähe. Und über die Tatsache, dass ich endlich zugenommen habe, freut er sich auch. Das ist jetzt schon der zweite Mann an diesem Morgen, der sich lautstark an meiner Optik erfreut. Etwas verwirrt wende ich mich ab, um hinter den Vorhang zu schlüpfen.
Ich habe bis jetzt noch nicht begriffen, wozu ein Vorhang notwendig ist, wenn man sich eh untenrum komplett entblößt und dann zwangsläufig den Sichtschutz wieder verlassen muss, aber ich habe beschlossen, dass dies einfach zu den unerklärbaren Phänomenen dieser Welt gehört. Ziehen Sie sich bitte HINTER dem Vorhang aus, und kommen Sie dann bitte OHNE Hose wieder hervor.
Zügig klettere ich auf den gefürchteten Stuhl und lasse Dr. Ganter mit seinem Ultraschallgerät auf Bohnenjagd gehen. Kurz darauf erscheint sie auf dem Monitor. Mit Schrecken stelle ich fest, dass sie gar nicht mehr so sehr wie eine Bohne aussieht, mehr wie eine Kaulquappe oder etwas anderes Glibberiges, was in Teichen und Tümpeln haust. Er misst fleißig an ihr herum, diagnostiziert, dass alles allerbestens ist, und ich darf wieder runter vom Stuhl. Das Beweisfoto drückt er mir in die Hand und will gerade von dannen eilen, als ich ihm ein energisches »Halt!« hinterherrufe.
»Frau Schmidt?« Mit der Türklinke in der Hand blickt er mich fragend an.
»Meine Brüste sind riesig«, sage ich schnell. Nicht, dass er mir noch entfleucht und mich mit dieser elementaren Frage alleine lässt.
»Äh … aha«, sagt er langsam, lässt aber die Türklinke nicht los.
»Kann das schädlich sein? Für das Baby?« Ich muss zugeben, laut ausgesprochen klingt meine Frage wirklich außerordentlich dämlich.
»Äh …« Ein zartes Grienen schleicht sich auf sein rundes Gesicht. »Nein, die Brüste wachsen im Laufe der Schwangerschaft. Das ist unschädlich und sogar förderlich.« Dann nickt er und verschwindet endgültig aus der Tür.
Ich bleibe ein wenig ratlos zurück. Sogar förderlich? Wofür denn? Ich sollte mir wirklich mehr Zeit für diese Schwangerschaftsratgeber nehmen. Dr. Ganter werde ich mit der Sache wohl lieber nicht noch mal behelligen.
Kapitel 14
Drei Tage später ereilt mich folgender Anruf auf meiner Mailbox: »Hallo. Hier ist Elena Meyer. Wir haben Ihre Bewerbung erhalten, die uns gaaanz gut gefällt. Wir würden uns freuen, wenn Sie mal auf einen Tee vorbeikommen könnten. Rufen Sie doch einfach zurück!«
Ich finde, das sind ganz erstaunliche Informationen, und höre die Mailbox achtmal ab, um alles genau zu erfassen und vor allen Dingen: zwischen den Zeilen zu hören. Nach dem achten Mal ziehe ich folgende Rückschlüsse:
1. Vier Tage nach Erhalt der Bewerbung eine Rückmeldung – das ist turbomäßig. Oder bin ich vielleicht einfach die einzige Bewerberin?
2. Elena Meyer klingt nett und total verrotzt.
3. Eine Einladung zum Tee? Wie jetzt, als
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