Nicht die Bohne!
Geld. Und dann auch wieder wenig, wenn man bedenkt, welche Konsequenzen die Bohne für mein Leben hat. Wobei mir vermutlich ein Großteil dieser Konsequenzen noch gar nicht bewusst ist. Noch befinde ich mich im Tal der Unwissenden. So war es bisher immer in meinem Leben: Viele Dinge begreift man in ihrer Gesamtheit erst recht spät. Nämlich meistens dann, wenn man die soeben gemachte Erfahrung bereits dringend gebraucht hätte.
Der Tag vergeht mit diesen hochphilosophischen Gedanken, und um vier stehe ich ratlos vor meinem Kleiderschrank. Was soll ich nur anziehen? Auf eine Öko-Gemeinschaft könnte ein Gucci-Kostüm in dezentem Grau vielleicht traumatisierend wirken und mich in die Konsum-Tussi-Ecke befördern. Einmal da drin, kommt man so schnell nicht mehr raus. Echte Öko-Klamotten in Beige und mit Bömmeln dran besitze ich nicht. Auch ein ökologisch wertvoller Mix aus Business und leger will mir nicht gelingen; ich sehe mit einer dezenten Stoffhose und geringeltem Shirt mehr nach Zirkusdirektorin als nach intellektuell gut ausgestatteter Assistenz für Vertrieb und Buchhaltung aus.
Um fünf setze ich diverse Notrufe bei den Mädels ab. Die Vorschläge sind vielfältig, jedoch allesamt nicht umsetzbar, denn ich besitze weder großblumig bedruckte Glockenröcke noch Rüschenblusen in Weiß.
Um Viertel nach fünf bin ich einem hysterischen Anfall nahe, zumal die wenigen Klamotten, die auch nur annähernd infrage kommen würden, einfach nicht mehr zugehen oder meine neuen Brüste nicht ordnungsgemäß im Zaum halten. Und eine entfleuchende Brust beim Bewerbungsgespräch kommt in meiner Vorstellung der Apokalypse recht nahe.
Irgendwann sitze ich entkräftet vor meinem Kleiderschrank und treffe eine Entscheidung: Die Bewerbung hat mich insgesamt fünf Minuten gekostet, und ich habe es in die erste Runde geschafft. Wenn mich die Klamottenauswahl auch nur fünf Minuten kostet, wird es eine Runde weitergehen. Punkt! Wie elektrisiert springe ich auf, reiße den schwarzen Zara-Anzug vom Bügel, springe hinein, schlüpfe in meine grauen Chucks und garniere das Ganze mit einem blütenweißen, schlichten Shirt. Bingo, perfekt. Oben seriös, unten leger. Dazu pinne ich mir noch einen Sticker von Foodwatch ans Revers (um auch rein optisch hinter der Sache zu stehen), zerre das Jackett zurecht und sehe ansprechend, intelligent, kosmopolitisch, schick und durchaus ökologisch, aber keinesfalls schwanger aus (ich habe den offenen Hosenbund mit einem Haargummi gesichert, total geschickt, wie ich finde).
Fünfzehn Minuten später parke ich den Golf auf dem Hof in der Hegewalder Straße drei – oder auch am Arsch der Welt.
Kapitel 15
Kaum zu glauben, dass eine knappe Viertelstunde Fahrtzeit ausreicht, um der Stadt komplett zu entfliehen. Höchst idyllisch und höchst einsam ist es hier draußen. Die Gebäude sind alt, umschließen das mit altertümlichem Kopfsteinpflaster ausgelegte Areal in der Mitte und sind wunderschön renoviert. Ein richtiger Niedersachsenhof, das Fachwerk weiß verputzt, die Balken dezent grau gestrichen. Sehr nett.
Weniger nett sind die beiden kläffenden Köter, die unter vollem Körpereinsatz versuchen, mich am Aussteigen zu hindern. Wie bekloppt jagen sie um mein Auto herum und bellen sich die Seele aus dem Leib. Also bleibe ich sitzen. Irgendwer wird mich schon retten.
Das dauert allerdings ein wenig. Gerade überlege ich, Elena Meyer anzurufen und um Rettung zu bitten, als endlich im Haupthaus das hell erleuchtete Tor geöffnet wird und eine Frau auf den Hof tritt.
»Typhus! Herpes! Aus!« Was ich erst für einen lautstark gebrüllten Appell an die Welt halte, stellt sich nach zwei Sekunden als verbale Hundebändigung heraus. Wohltuende Ruhe senkt sich über den Hof, und die beiden blutrünstigen Köter trollen sich, während die Frau sich meinem Golf nähert. Sie strahlt eine ruhige Bestimmtheit aus, die nicht nur bei den Hunden wirkt, sondern auch mich veranlasst, umgehend die Autotür zu öffnen.
»Hallo, Frau Schmidt«, begrüßt sie mich herzlich und zerrt mich quasi aus dem Auto. Jetzt erkenne ich sie an ihrer leicht verrotzten Stimme.
»Hallo, Frau Meyer«, antworte ich leicht verlegen.
Sie hält immer noch meine Hand und sagt fröhlich: »Na, wir zwei haben ja nette Allerweltsnamen. Ich bin Elena, wir duzen uns hier!«
Ergeben nicke ich. Auch wenn ich sonst nicht so auf das sofortige, plump vertrauliche Du stehe, scheint es in diesem Augenblick zielführender zu sein, das für
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