Nicht die Bohne!
einen neuen Job für mich … und die Bohne.
»Ich möchte dir kurz erzählen, was wir tun«, eröffnet Elena die erste Runde, und ich nicke geschäftsmäßig.
»Wir alle produzieren nachhaltig und ökologisch wertvolle Lebensmittel und andere Produkte. Bis jetzt verkaufen wir nur auf Wochenmärkten und an Kunden, die uns auf dem Hof besuchen. Meistens erfahren die Menschen nur durch Mund-zu-Mund-Propaganda von uns. Das soll sich ändern. Wir leben und arbeiten hier zusammen. Jeder von uns hat für sich einen Teil des Hofes renoviert, und so können wir unser Handeln optimal aufeinander abstimmen.« Sie hält kurz inne, und ich nehme einen Schluck Tee. Pfefferminze mit einem Schuss Honig. Sehr lecker.
»Alina kümmert sich um unsere Bienenvölker. Ihr Honig gilt unter Fachleuten als extrem rein und geschmacklich außergewöhnlich. Edgar und ich ziehen das Gemüse und bewirtschaften die Felder. Wir produzieren von Karotten über Kartoffeln bis hin zu Weizen und Hirse alles.« Sie lächelt, und ich lächle zurück. Daher kommt also die Hirse für die Hirsepampe meiner Mutter. Der Kreis schließt sich.
»Harry züchtet Kaninchen und einiges an Nutzvieh. Wir schlachten natürlich auch selbst. Simon ist Tischler und macht viele Auftragsarbeiten und Dinge, die auf dem Hof erledigt werden müssen. Zurzeit könnten wir mehr produzieren als verkaufen. Und um genau dies zu ändern, brauchen wir jemanden, der sich im Marketing auskennt. Die Buchhaltung erledige ich zurzeit selber, und ich hasse es. Es bindet meine Energien.« Ihr Gesicht verdüstert sich, und ich nicke verständnisvoll. Buchhaltung kann nicht anders als Energien binden. Schreckliches Gedöns, aber wenn ich Geld dafür bekomme, tue ich auch das.
»Wir sind reine Selbstversorger, das heißt, wir kommen mit wenig Geld zur Investition aus. Saatgut müssen wir erwerben, sonst allerdings kaum etwas. Das soll auch so bleiben, und deshalb ist unser System nicht wirklich monetär ausgelegt. Das heißt wiederum, wir können nicht viel zahlen.«
Aha, da liegt der Hase im Pfeffer.
»Das heißt aber nicht, dass du hier gute Arbeit für’n Appel und ein Ei erledigen sollst. Es muss nur klar sein, dass wir nicht so viel zahlen können wie dein vorheriger Arbeitgeber.«
Ich nicke und bin erleichtert. Immerhin muss ich die Bohne und mich und den Golf damit durchbringen.
»Hast du Fragen?«, unterbricht sie ihren Monolog, und ich denke nach.
»Äh, was für Arbeitszeiten stellt ihr euch denn vor?«
»Das hängt natürlich vom saisonalen Aufwand ab. Wenn die Ernte läuft und es viel zu verkaufen gibt, länger, im Winter weniger. Ungefähr, wir haben das mal grob kalkuliert, zwanzig Stunden die Woche. Aber wir arbeiten hier alle eigenverantwortlich, also bleibt das auch ein Stück weit dir selbst überlassen. Urlaub haben wir so an fünfundzwanzig Tage gedacht? Also, runtergerechnet auf die Stunden, versteht sich.« Sie klingt geschäftsmäßig, und ich glaube, sie hat den Hof fest im Griff.
»Was habt ihr euch denn finanziell vorgestellt?«, frage ich vorsichtig.
»Also, Produkte vom Hof sind frei. Eier, Brot, das auch Alina backt, Gemüse und all diese Dinge bekommst du so. Und dann ungefähr 1100 Euro brutto.«
Das ist nicht viel. Etwa achthundertfünfzig Euro netto, schätze ich. Etwas weniger, als ich brauche. Aber da ja noch vierhundert Euro Unterhalt von Olaf hinzukommen und regelmäßige Einkäufe im Supermarkt wegfallen würden, könnte ich damit wohl leben. Dennoch liegt mir die Bohne jetzt schwer im Magen, oder besser in der Gebärmutter. Elena ist so freundlich und strukturiert, dass ich es ihr einfach sagen muss. Ich atme tief ein.
»Wir haben auch noch einige Fragen an dich«, kommt sie mir zuvor.
»Natürlich, nur zu«, erwidere ich.
»Welche Erfahrung bringst du mit, und wie stehst du der ökologischen Landwirtschaft gegenüber?« Sie beugt sich mit ernster Miene auf dem Sessel vor.
»Ich bin mit ökologisch erzeugten Produkten aufgewachsen.« Das stimmt zwar nur, wenn man von den ersten zweiundzwanzig Jahren meines Lebens absieht und außer Betracht lässt, dass ich in den vergangenen vier Wochen nahezu ausschließlich mit künstlichen Aromastoffen versehenen Pudding in Gilligrün von der bösen Lebensmittelindustrie konsumiert habe. Aber zumindest Letzteres war ja auch ein Ausnahmezustand. »Meine Eltern betreiben den Versandhandel Besser Leben , und ich bin Mitglied bei Foodwatch und Greenpeace.« Auch das stimmt, wenn auch ein eher stilles
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