Nicht die Bohne!
sagen kann, ist: Was dort auf dem Bett liegt, hat keinen Einfluss auf meine Gefühle für Simon.
Während ich noch verwirrt vor mich hin starre, öffnet sich die Badezimmertür und schlägt fast umgehend wieder zu. Tief versunken in die Betrachtung dieses menschlichen Zubehörteils, habe ich gar nicht mitbekommen, dass die Dusche ausgegangen ist. Simon hat folglich die Tür geöffnet, mich gesehen, den Schock des Tages bekommen und sie gleich wieder zugemacht. Oha!
»Ich habe geklopft«, rufe ich der Badezimmertür zu. Als ob das eine Erklärung für meine Anwesenheit sein könnte. Er hat mich ja schließlich nicht hereingebeten.
Im nächsten Moment antwortet Simon wütend durch die Tür: »Ich habe dich nicht hereingebeten.«
»Das stimmt«, murmele ich und setze mich vor das Bett auf den Boden. Laut sage ich: »Tut mir leid!«
Jetzt bin ich auf Augenhöhe mit der Prothese und betrachte das mechanische Kniegelenk etwas genauer. Meine Nachbarin Frau Ködel ist über achtzig, und immer, wenn sie mich trifft, findet sie einen Anlass, um ein beeindrucktes »Toll, was es heutzutage alles gibt!« von sich zu geben. Sie bezieht sich dann immer auf Handys oder MP 3-Player oder so’n Zeug. Sogar meine Funkfernbedienung für den Golf hat sie schon zu ehrfürchtigem Staunen veranlasst, aber hier und jetzt bin ich geneigt, ihr den Spruch zu klauen. Mit der Gehhilfe von Käpt’n Hook hat das Ding keine Ähnlichkeit mehr.
Im Bad herrscht immer noch Totenstille.
»Kommst du da raus?«, frage ich die Badezimmertür.
»Nein«, kommt umgehend die harsche Antwort, jetzt allerdings etwas deutlicher, da Simon die Tür einen Spalt geöffnet hat.
Es ist bestimmt nicht klug, hier rumzusitzen und ihn zu belauern. Das ist wie eine Konfrontationstherapie gegen Krabbeltierphobie, nur mit mir als Spinne. Aber mir fällt beim besten Willen nichts anderes ein. Wenn ich jetzt gehe, weiß ich nicht, ob Simon sich überhaupt noch auf ein Gespräch mit mir einlassen wird. Vielleicht sollte ich also bleiben und hier und jetzt ein Gespräch über das Bein beginnen. Das, das weg ist, und das, das als Ersatz dient. Weiter hier rumlungern scheint da durchaus sachdienlich zu sein.
»Ist das dein Problem?«, frage ich also.
»Was glaubst du wohl? Du hast ja keine Ahnung, was das bedeutet!«, gibt Simon zurück. Der Tonfall ist kalt und wütend.
»Nein«, antworte ich wahrheitsgemäß. »Aber ich wüsste es gerne.«
»Paula, geh bitte!« Simons Stimme hat plötzlich und unerwartet einen flehentlichen Unterton angenommen. Wut konnte ich besser aushalten. Dass es ihm solche Qualen bereitet, mich und sein Bein zusammen in einem Raum zu wissen, sticht mir ins Herz.
Ich erhebe mich langsam und mache einen Schritt auf die Badezimmertür zu. Im nächsten Moment faucht Simon durch den Türschlitz: »Bleib, wo du bist!«
»Du hast gesagt, ich soll gehen«, äußere ich vorsichtig, um Unschuld in der Stimme bemüht.
»Du wolltest herkommen«, knurrt er.
»Stimmt«, gebe ich zu und mache mich auf zur Badezimmertür. Simons harscher Tonfall lässt mich jedoch auf halbem Weg erschrocken innehalten.
»Paula. Raus aus meiner Wohnung!« Unsicher bleibe ich stehen. »Ich will dich nicht hier haben. Hast du verstanden? Ich will überhaupt nichts von dir! Lass mich einfach in Ruhe!« Die letzten Worte brüllt er, und mit einem lauten Knall fällt die Badezimmertür ins Schloss.
Mein Herz krampft sich zusammen. Langsam wende ich mich zum Gehen, während mir die Tränen über das Gesicht laufen.
Kapitel 25
Wie betäubt laufe ich zurück zum Haupthaus. Im Flur wische ich mir mit dem Jackenärmel die Tränen ab, dann betrete ich die Küche, wo die restlichen Hofbewohner um den Tisch versammelt sitzen und mir erwartungsfroh entgegenblicken.
»Kommt Simon?«, fragt Elena.
Ich muss mich räuspern. »Nein.« Sie runzelt die Stirn und mustert mich eingehend.
»Er muss sich das aber angucken«, brummt Edgar, ohne den Blick von den vielen Papieren zu heben, woraufhin Elena ihm beherzt mit dem Zeigefinger in die Rippen pikst.
»Was?« Sein Kopf hebt sich, sein Blick verharrt für einige Sekunden auf mir, dann murmelt er: »Oh«, und schaut wieder, diesmal mit sehr betretener Miene, auf den Tisch. Ich sehe vermutlich immer noch völlig verheult aus.
»Er ist nicht da«, sage ich, wobei meine Stimme ganz leicht zittert.
»Das ist okay«, sagt Elena und schenkt mir ein freundliches Lächeln. »Er kann ja auch morgen gucken. So eilig ist es nicht. Setz dich doch
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