Nicht die Welt (German Edition)
augenblicklich schlossen die Männer die Stahltür hinter ihnen. Es klackte, als die Ventile den Druck beim Schließen der Tür ausglichen. Die Bewacher der Schleuse legten ihre Staubmasken ab und zogen die Kapuzen zurück. »Wo ist unser Bruder?«, fragte einer von ihnen.
»Jemand hat ihn draußen erschossen«, antwortete die junge Frau.
»Der Todesengel hat wieder zugeschlagen! Er nimmt die Besten von uns vor ihrer Zeit.« Die Bewacher senkten ihre Köpfe und schienen zu beten. Als sie fertig waren, fragte einer von ihnen: »Und was machst du hier, Säuberer?«
»Ich bin auf der Suche nach dem ...« Der junge Mann sah kurz zur jungen Frau hinüber. »Hier, seht selbst, euer Priester hat mir das hier mitgegeben.« Er holte den Brief aus seiner Innentasche. Ein Bewacher las ihn aufmerksam durch und sagte: »Wir werden dir helfen.«
»Ihr wisst jetzt, dass ich zum Innenministerium muss«, sagte der junge Mann.
»Du musst durch die Bunkerwelt und immer nach Norden. Auf diese Weise ist es für dich am sichersten und du wirst in der Nähe des Ministeriums rauskommen. Jetzt aber musst du erst mal deine Kleider ausziehen und dich dekontaminieren.«
»Das gilt auch für dich«, sagte der andere Bewacher, während er auf die junge Frau zeigte.
Innerhalb des Schleusensystems befand sich ein großer Empfangsraum mit einfachen Stühlen und länglichen Holztischen, auf denen alte Registrierungsbücher lagen. Es handelte sich um einen der großen Strahlenschutzbunker, die für mehr als zehntausend Menschen ausgelegt waren. Diejenigen Überlebenden, die nicht rechtzeitig vor einem Angriff der Fernraketen hierher kamen, sollten überprüft werden, bevor sie in den Bunker gelangen konnten. Auf der linken Seite des Empfangsraums waren abgetrennte Bereiche für die Wachmannschaft und das medizinische Personal, auf der rechten Seite war ein System von Duschen untergebracht. Obwohl nach fast vier Jahrzehnten, die der Bunker alt sein mochte, überall die Anzeichen des Verfalls zu sehen waren, schien die Anlage noch weitgehend funktionstüchtig zu sein.
Der junge Mann zog sich aus und ging in eine der vorderen Duschkabinen. Nach all den Strapazen war das kühle Nass eine Wohltat für ihn. Als er sich geduscht hatte, fragte er sich, woher das Wasser wohl gekommen war. Er wusste, dass die Spaltungsbunker eigene Wasserwerke mit großen Speichern hatten. Aber dieses Wasser gerade eben war mit Sicherheit lange Zeit nach der Explosion aus einem der Tiefbrunnen geholt worden. Das Spaltmaterial musste nach all den Jahren längst in die unteren Sedimentschichten vorgedrungen sein. Sicherlich hatte niemand damit gerechnet, dass noch jemand zwanzig Jahre nach einem Ereignis hier leben würde, dachte er. Diese Bunker waren für einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren ausgelegt, in denen der Widerstand organisiert werden sollte. So konnte es sein, dass er die mühsam ferngehaltene Strahlung jetzt an sich heranließ, indem er das Wasser über seinen ganzen Körper verteilte und den Nebel tief einatmete. Leider hatte er hier keine Strahlungsmelder gesehen, mit denen er seine Befürchtungen zerschlagen konnte.
Nach dem Duschen zog er sich die Kleidung der Gläubigen an, die für ihn vor der Duschkabine bereitgelegt worden war. Es handelte sich um eine Hose und ein Oberteil ganz in Weiß, wie sie früher von Krankenhausärzten getragen wurden. Einige Zeit musste er auf die junge Frau warten, bis auch sie wieder erschien. »Bist du in Ordnung?«, fragte er.
»Ja, mir geht es gut, ich habe mich reingewaschen«, antwortete sie. An der inneren Schleusentür gaben die Bewacher dem jungen Mann das Geld aus seiner abgelegten Kleidung. Sie öffneten die Tür, und der Mann und die Frau betraten den Strahlenschutzbunker.
Ein breiter, mit Stahlbeton ausgekleideter Stollen lag vor ihnen, der leicht gekrümmt war, so dass man nicht bis zu seinem Ende sehen konnte. Die mächtigen Wände waren nur spärlich beleuchtet. Es war angenehm warm, vielleicht war die Luftfeuchtigkeit etwas zu hoch. Eingedrungenes Wasser hatte das, was rechts neben ihnen an der Wand stand, schon etwas verwischt: »Fürchte den Dämon der Nacht, der auf leisen Schwingen daherkommt. Fürchte ihn.« Im First waren große Ventilatoren angebracht, welche Außenluft einsaugten, die über spezielle Filteranlagen gereinigt wurde. Niemand sonst schien hier zu sein. Die junge Frau zeigte auf eine Einschienenbahn. »Komm, wir fahren dahin, wo mein Bruder gelebt hat. Es ist zu weit
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