Nicht die Welt (German Edition)
jetzt sitze ich eben hier neben dir.«
Der junge Mann dachte an seine Familie in Neustadt. »Habt ihr Digitalfenster? Ich würde meinen Eltern gerne sagen, dass es mir gut geht.«
»Nein, wir verzichten auf diese Dinge. Das alles haben wir in Neustadt zurückgelassen. Aber ich kann dir in einer anderen Angelegenheit weiterhelfen.« Die Augen des Gläubigen begannen zu leuchten. »Ich habe gehört, dass du nach dem Papier suchst? Du musst wissen, dass auch ich danach gesucht habe ... aber es sollte wohl nicht sein. Auf jeden Fall werde ich dir helfen, zum Ministerium zu kommen. Vielleicht hast du ja Glück.«
»Das ist gut. Weißt du eigentlich, was das Papier ist? Ich meine, kennst du seinen Inhalt?«
»Das hat mich gar nicht gekümmert«, entgegnete der Gläubige und überlegte lange. »Für mich war es die Herausforderung, die gezählt hat. Die Herausforderung, etwas zu finden, das alle suchen und jeder will.«
»Ich verstehe. Kann ich gleich aufbrechen?«, fragte der junge Mann. Der Gläubige nickte.
»Ich komme mit dir«, sagte die junge Frau. Der junge Mann lächelte. Die drei verließen den Speisesaal und gingen zum Hauptstollen.
In einer Nische des Stollens öffnete der Gläubige einen kleinen Metallkasten, in dem sich ein Telefon befand. Einige Minuten nachdem er telefoniert hatte, tauchte die Einschienenbahn mit den zwei Bewachern aus der Schleuse auf. Der junge Mann verabschiedete sich vom Gläubigen und stieg gemeinsam mit der jungen Frau ein. Die Bahn fuhr los, vorbei am Bereich »K«, wo sie geschlafen hatten, weiter und immer weiter den Stollen entlang. An einigen Stellen waren Teile des Firstes heruntergebrochen und Wasser drang ein. Nach einer Weile sah der junge Mann an einer großen Stahltür ein »R«. Kurze Zeit später erreichten sie das Ende des Stollens und die Bahn hielt an.
Einer der Bewacher gab ihnen weiße Schutzkleidung. Es handelte sich um einen Einteiler mit einem langen Reißverschluss, der bequem zu tragen war, wie der junge Mann erfreut feststellte. »Hier ist noch ein Rucksack mit Essen und Trinken für euch«, bemerkte der Bewacher. Der junge Mann bedankte sich herzlich, denn er war froh darüber, wieder gut ausgerüstet zu sein, nachdem er alles am Runden Platz hatte zurücklassen müssen. Nachdem sich der junge Mann und die junge Frau die Schutzkleidung angezogen hatten, folgten sie den Bewachern zu einer Stahltür, auf der »Diesellager« stand. Die Halle war nur spärlich beleuchtet. Sie schienen auf einer Art Stahlbrücke weit über dem Boden zu gehen. Unter ihnen befanden sich gewaltige Tanks, deren untere Enden in der Dunkelheit verschwanden. Der junge Mann hatte gehört, dass einige Zeit nach dem Krieg große Vorräte des streng rationierten Diesels in der Stadt gehortet wurden, um im Falle eines Krieges unabhängig von der Außenwelt zu sein. Anscheinend setzte man nach einem Angriff mit Spaltungswaffen auf herkömmliche Verbrennungstechnik. Mit Hilfe dieser alten Dieselvorräte sollten die Gläubigen nun in der Lage sein, die Generatoren jahrzehntelang zu betreiben. In regelmäßigen Abständen waren Zwischenwände aus Stahlbeton eingezogen worden. An diesen Stellen mussten feuerfeste Türen geöffnet werden. Als die vier schließlich an eine Stahltür mit der Aufschrift »Ausgang Nord« ankamen, sagte einer der Bewacher: »Hinter dieser Tür liegt ein Aufzug, er wird euch in einen anderen Bunkerbereich führen. Dort leben die Menschen, die wir die Spinner nennen. Sie sind aber harmlos und werden euch nichts tun. Sie werden euch den Weg zum alten Steintor zeigen. Das Ministerium ist gleich daneben.« Er schloss die Tür auf. »Und vergesst nicht: Hier gibt es kein Zurück. Durch diese Tür kommt niemand rein. Wenn ihr zu uns wollt, müsst ihr über den südlichen Zugang am Runden Platz. Alles Gute für euch.«
»Danke für alles«, erwiderte der junge Mann. Er ergriff die Hand der jungen Frau, und sie gingen durch die Tür, die von den Bewachern sogleich wieder verriegelt wurde.
Die beiden blickten sich im Treppenhaus um und gingen zu einem großen Lastenaufzug, der dem am Runden Platz ähnelte. Der obere Knopf »E« des Kontrollelements war entfernt worden, so dass der junge Mann den Knopf »-1« unmittelbar darunter drückte. Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung, und sie fuhren langsam hinauf. Nach einer Ewigkeit hielt der Lastenaufzug an. Die Treppe nach oben war sorgfältig mit schweren Stahlträgern blockiert worden, so dass sie das Treppenhaus
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