Nicht die Welt (German Edition)
Antwort zufrieden geben würde.
»Wie? Innenministerium?«, fragte der Spinner.
»Wir suchen den Mörder ihres Bruders«, antwortete der junge Mann.
Der Spinner zuckte zusammen und flüsterte: »Ihr seid auf der Suche nach ihm ? Ja ... ja ... das stimmt, er muss dort irgendwo sein. Wir haben ihn jedoch niemals zu Gesicht bekommen. Er hat zwei von uns getötet, als sie im Wald beim steinernen Tor auf der Jagd waren. Vor allem auf der großen Straße nach Süden müsst ihr jetzt im Sommer höllisch aufpassen.«
Der junge Mann nickte. »Deshalb führt unser Weg ja durch die Bunker. Wenn wir erst beim Steintor sind, können wir ihn dann im Schutz der Gebäude suchen.«
Die Luft war stickig, wurde aber anscheinend noch regelmäßig ausgetauscht. Dieser alte Bunker hatte jedoch keine Luftfilter, so dass mit Sicherheit Spaltmaterial in die Räume gelangt war. Trotzdem trug niemand von seinen Bewohnern eine Schutzkleidung. »Habt ihr hier keine Angst vor der Strahlung?«, fragte der junge Mann.
»Angst? Wir setzen uns der Strahlung bewusst aus, sie gehört zu unserer Lebensweise«, entgegnete der Spinner verwundert.
»Ihr setzt euch der Strahlung bewusst aus?«
»Ja, klar. Während die Eisheiligen tatsächlich denken, der Strahlung entfliehen zu können, indem sie sich wie die Larven in die Erde eingraben, um später als Erwachsene an die Oberfläche zu kriechen, lassen wir die Strahlung tief in unseren Körper, in jede einzelne Zelle. Wir werden Eins mit ihr.«
»Was macht ihr?«
Der Spinner stöhnte. »Du siehst doch, wie die Tiere hier unbeeindruckt leben. Sie folgen ihrem Instinkt. Und ihr Instinkt sagt ihnen, dass es nicht falsch ist, hierher zu kommen.«
»Warum sollte das denn nicht falsch sein?«
»Weil Tiere das Ich nicht kennen. So existiert die Gefahr lediglich für den Einzelnen, nicht aber für die Gemeinschaft. Jeder Einzelne muss eben einen Preis zahlen, damit die Gemeinschaft überleben kann. Wir werden ein kurzes Leben haben. Aber es bedeutet nichts. Der Einzelne muss in der Gemeinschaft aufgehen, so dass diese ihren Nutzen daraus ziehen kann.«
»Ich kann da keinen Nutzen erkennen.«
»Denk doch mal nach: Du darfst nicht vergessen, dass die Strahlung zwar zu einer höheren Mutationsrate des Erbguts führt, uns mit Krankheiten und Qual überhäuft, doch Mutation bedeutet ebenso Veränderung, bedeutet Evolution. Ja, genau: Evolution.« Der Spinner ging kurz in einen Nebenraum und kam mit einem Gerät in seinen Händen zurück. »Wir müssen lediglich aufpassen, dass die akute Strahlendosis nicht zu hoch wird, wir nicht schwer strahlenkrank werden und sofort sterben. Zu diesem Zweck haben wir Strahlungsmelder wie diesen hier, mit denen wir die Gesamtdosis kontrollieren können. Denn du musst wissen: nicht alle Orte in der Stadt sind gleichermaßen stark belastet.« Der Spinner schaltete das Gerät an und hielt es sich an die Brust. In kurzen, regelmäßigen Abständen war ein Knacken zu hören. Es war ein älteres Modell, das nur die Strahlung an sich erfasste, nicht aber den Grad der zellulären Schäden, den sie bereits angerichtet hatte. Er muss eine Vier sein, ganz bestimmt aber schon eine Drei, dachte der junge Mann.
Die Augen des Spinners begannen zu leuchten. Für einen Moment lang war sein ängstlicher Blick verschwunden. »Die Welt von Morgen wird eine Welt der Strahlung sein. Unsere Nachfahren werden an diese Strahlung angepasst sein, sie werden bessere Reparaturmechanismen des Erbguts entwickelt haben, ihre Organe werden sich schneller erholen können und ihre Generationszeiten werden kürzer sein. Sie werden diese Welt dominieren, indem sie mit der Bedrohung vertraut sind, während die anderen vollkommen unvorbereitet sein werden. Sie werden die Herren sein, hart im Nehmen und die Strahlung liebend. Und sie werden geführt von unserem Geist, von unseren Ideen, die in Neuwelt die Zeit überdauern werden. So werden wir ihre Erziehung übernehmen und Unsterblichkeit erlangen.« Der Spinner hielt sich am Türrahmen fest und atmete schwer. Er schien erschöpft zu sein. Als ihm der junge Mann unter die Arme greifen wollte, wehrte ihn der Spinner ab.
»Warum lebt ihr dann aber hier unten im engen Bunker, wo die Luft so schlecht ist?«, fragte der junge Mann. Nachdem sich der Spinner ein wenig erholt hatte, antwortete er: »Ich bin der einzige, der immer hier unten lebt, die anderen leben in Häusern über der Erde. Das hier ist jedoch der einzige Ort, an dem wir Elektrizität
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