Nicht ganz sauber
Warschau, der in mein Hotel gestürmt kam, hielt ich es für besser, inkognito zu bleiben. Ich wollte das Risiko nicht eingehen, dass meine polnischen Verwandten die gleichen Gefühle für mich hegen könnten.
In meinem Bekanntenkreise habe ich ebenfalls so gut wie niemanden eingeweiht. Ich möchte so wenig Menschen wie möglich damit behelligen und sie vor der Situation bewahren, eventuell von der Presse oder den Behörden im Zusammenhang mit der Aufdeckung meiner Identität belästigt oder gar unter Druck gesetzt zu werden.
Die paar, die davon wissen, egal ob Familie oder Bekannte, aber auch all meine Kunden stellten mir nahezu allesamt die gleichen zwei Fragen:
»Musst du denn überhaupt noch weiterputzen?«
Und:
»Wie viel verdienst du denn mit dem Buch?«
Also eines kann ich nun ganz sicher sagen: Mit dem Verkauf eines Buches – selbst wenn es ein Bestseller wird, so wie meines – kann man sich so was von nicht zur Ruhe setzen. Natürlich muss ich weiterputzen. Das ist ja auch mein Beruf. Auch nach Unter deutschen Betten könnte ich es mir nie und nimmer leisten, mit dem Putzen aufzuhören. Und die Antwort auf die zweite Frage bleibe ich aus Überzeugung jedem schuldig. Über Geld spricht man nicht. Ich schon gar nicht. Jetzt zumindest nicht mehr …
Es hat sich in meinem Leben, außer während der turbulenten Zeit nach der Veröffentlichung, eigentlich nicht viel geändert. Ich putze weiterhin, bin aber mittlerweile selbständig tätig, also nicht mehr schwarz. Ich putze, wenn man das auf meinen Bruttostundensatz umrechnet, nach wie vor für den gleichen Lohn. In der letzten Zeit gab es nur einen Fall, in dem mich jemand überreden wollte, doch schwarzzuarbeiten. Es ist noch gar nicht so lange her, höchstens vier bis fünf Monate, als ich einen Anruf von einem Mann aus der Nähe von Frankfurt bekam. Er behauptete, er habe meine Nummer von einem Bekannten bekommen:
»Ja, also, mein Freund hat Sie mir wärmstens empfohlen.«
»Das freut mich aber.«
»Hätten Sie denn noch Zeit für mich? So zwei bis drei Stunden die Woche?«
»Prinzipiell schon«, erwiderte ich. Aber seine langsame und zögerliche Art zu reden kam mir seltsam vor. Irgendetwas schien er auf dem Herzen zu haben.
»Ja, also, äh, wissen Sie, das mit der Bezahlung … Das müssten wir … anders regeln …«
Obwohl ich ahnte, was nun kommen würde, kam ich ihm verbal keinen Millimeter entgegen. Ich wollte es ihn selbst sagen hören. Daher kam von mir nur ein kurzes »Ja?«.
»Also, ich möchte gerne, dass wir das mit Ihrer Bezahlung außersteuerlich regeln, wenn Sie verstehen, was ich meine …«
Jetzt brachte ich es dann doch auf den Punkt:
»Sie meinen, ich soll bei Ihnen schwarzputzen?«
»Also, äh, ja, wenn Sie das so nennen wollen, dann ja.«
Ich lachte stumm in mich hinein. Wie sollte man es denn sonst nennen?
»Das tut mir leid, aber ich arbeite nur noch angemeldet. Ich habe mich nun selbständig gemacht, wissen Sie …«
»Ach so, na ja, dann schade. Da kann man wohl nichts machen. Dann kommt das für mich leider nicht in Frage. Aber Sie müssen meine Anfrage ja nicht an die große Glocke hängen. Ich arbeite als leitender Angestellter beim Finanzamt.«
Ich glaubte, ich bräche zusammen! Ein Finanzbeamter suchte eine Putzfrau. Schwarz. Das hatte noch nicht einmal ich bisher erlebt.
Ich unterdrückte ein Lachen.
»Überhaupt kein Problem. Ich werde niemandem von unserem Gespräch erzählen.«
»Ja, wirklich schade, dass Sie nicht mehr so arbeiten, Sie wissen schon. Also, wenn Sie Ihre Meinung ändern, dann melden Sie sich bei mir …«
»Das tue ich. Einen schönen Tag noch.«
Und grinsend beendete ich das Gespräch. Wenn mir das eines, was ich in den letzten Jahren als Putzfrau gelernt hatte, mal wieder bestätigte, dann, dass es wirklich nichts gab, was es nicht gab.
Auch nicht das Zusammentreffen mit einem weiteren Polizisten, keine sieben Tage später. Diesmal aber war er nicht aus München, sondern aus dem Rhein-Main-Gebiet und ich bei unserem ersten Zusammentreffen nicht vor dem Computer, sondern auf meinen Knien.
Ich war gerade bei einer netten Kundin, Steffi. Wie gesagt auf allen vieren, denn ich bürstete die Ritzen ihrer Fliesen im Eingangsbereich ihres Reihenhauses. Auf einmal klingelte es an der Haustür, und ein großgewachsener, sympathischer Mann meines Alters trat ein. Er fragte
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