Nicht ganz sauber
Unter deutschen Betten hatte ich die Familie die »Promis« genannt. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an sie. Die, die immer eine Spur zu laut waren (vor allem er). Die eine Spur zu wichtig waren. Und eine Spur zu unaufrichtig.
Frau Promi war schwanger mit ihrem dritten Kind. Ich hatte mich schon vor der Geburt einverstanden erklärt, in Zukunft gelegentlich auf das Baby und die beiden anderen Kinder aufzupassen. So kam es, dass ich eines Tages, das Baby war bereits geboren, am Nachmittag, nachdem ich fertiggeputzt hatte, bei den Promis blieb und auf die Kinder aufpassen sollte, weil die Eltern mal wieder zu einem ihrer wichtigen gesellschaftlichen Events eingeladen waren. Ich hoffte, dass sie diesmal wirklich eingeladen waren und sich nicht wieder von befreundetem Catering-Personal durch die Hintertür einschleusen ließen …
Es war früher Abend. Frau Promi war noch dabei, sich schön zu machen. Nachdem ich das Baby zu Bett gebracht hatte, widmete ich mich im Wohnzimmer meiner Bügelarbeit, während Herr Promi dafür sorgen sollte, dass die beiden anderen Kinder ihr Abendbrot aßen. Der neunjährige Sohn bestand darauf, sein Abendessen selbst zuzubereiten, indem er sich von seinem Vater eine Dose Ravioli öffnen ließ, diese aber eigenhändig in einen Topf goss und ihn auf dem Herd erwärmte. Alles schien harmonisch und friedlich. Bis Herr Promi zu mir sagte:
»Mein Gott, Justyna, ist das nicht erstaunlich, wie erwachsen er geworden ist? Nun kann er schon alleine kochen.«
Woraufhin ich, ohne es allzu ernst zu meinen und ohne viel darüber nachzudenken, entgegnete:
»Na ja, eine Dose Fertignudeln in ’nen Topf zu schütteln macht aus ihm ja noch keinen Meisterkoch …«
Aber das war eindeutig zu viel für Herrn Promi. Vielleicht brachte es das Fass für ihn zum Überlaufen. Auf jeden Fall bekam er von null auf hundert rote Flecken im Gesicht, knallte sein Weinglas auf die Küchentheke, dass dessen Stiel unter der Wucht des Aufschlags in zwei Teile zerbrach und der Rotwein sich unkontrolliert auf der Granitplatte ausbreitete. Er brüllte:
»Das muss ich mir von ’ner polnischen Putze nicht sagen lassen. So eine Scheiße. Lern du doch erst mal, mit Messer und Gabel zu essen, bevor du dein Maul aufreißt!«
Das saß. Aber dieser Satz kam mir gerade recht. Ich kann bis heute nicht genau sagen, ob ich vielleicht schon seit langem diesen Streit unterbewusst provoziert, ja sogar herbeigesehnt hatte. Auf jeden Fall konterte ich in dem gefühlten Bruchteil einer Sekunde:
»Ich höre wohl nicht recht, sag mal, wer gibt dir das Recht, mich vor deinen Kindern derartig anzuschreien? Pass auf, wie du mit mir redest!«
»Das Recht gebe ich mir selber. Denn ich bin hier der Hausherr. Und du die Putzfrau. Eine, die, wie alle von deinem Schlag, keine Manieren hat.«
Ich musste unfreiwillig anfangen zu lachen. Das, was Herr Promi mir an den Kopf warf, war nicht nur unverschämt, es war vor allem dumm und unqualifiziert. Was für ein kleiner, verletzter und unsicherer Junge muss noch immer in ihm schlummern, um eine solche Profilneurose entwickelt zu haben?
»Aber nur zu«, dachte ich mir, »biete mir ruhig noch mehr Angriffsfläche …«
Die Kinder der Promis hatten bereits die Flucht in ihre Zimmer im ersten Stock angetreten. Daraufhin gab ich mir selber grünes Licht für meine verbale Gegenattacke, die ich ganz ruhig, aber mit fester Stimme und ganz deutlich plazierte:
»So, du Idiot, nun sag ich dir mal, was ich unter ›keine Manieren haben‹ verstehe. Seit Jahren putze ich bei euch. Bin immer zuverlässig, immer pünktlich. Ihr dagegen seid mit eurer Zahlung meines Lohnes bis zu einem halben Jahr im Rückstand. Ihr sagt mir sogar frech ins Gesicht, dass es schwere Zeiten sind und ihr nicht so einfach dreihundert Euro für zehn Wochen Arbeit berappen könntet. Und dann präsentierst du mir keine fünf Minuten später deinen neuen Porsche Turbo, der da protzig in eurer Einfahrt steht. Das bedeutet ›keine Manieren haben‹. Und es bedeutet für mich außerdem, dass ich um euren Esstisch herumputzen muss, während ihr genüsslich euer Mittagessen genießt, ohne mir in den letzten Jahren auch nur einmal einen Bissen angeboten zu haben. Oder ein Glas Wasser. Versteh mich nicht falsch, ich hätte sowieso dankend abgelehnt, aber der Gedanke zählt. Manieren hat man also bei uns in Polen, wo wir deiner Meinung nach alle noch mit den Fingern essen und
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