Nicht ganz sauber
Bemerkung wartete ich vergebens. Ich war wirklich verblüfft.
»Ich verstehe nicht ganz, heute ist doch Mittwoch, oder?«
Ich weiß nicht, ob sie nur so tat, aber zumindest schien sie nicht die Bohne zu kapieren, was ich bei oder von ihr wollte.
»Ja. Und …?«
»Ich putze bei Ihnen mittwochs. Seit drei Wochen!«
»Ja, weil wir dringend mal wieder eine Grundreinigung nötig hatten. Aber das heißt ja nicht, dass Sie nun fest bei uns arbeiten. Da haben Sie etwas falsch verstanden. Außerdem hatten wir letztes Mal ja auch keinen weiteren Termin mehr ausgemacht.«
»Heißt das, Sie kündigen mir?«
»Nein, das heißt es nicht, denn kündigen kann ich ja nur jemandem, der regelmäßig oder fest bei mir arbeitet.«
»Und dreimal hintereinander putzen fällt bei Ihnen noch nicht unter Regelmäßigkeit?«
»Nein, ganz gewiss nicht. Justyna, ich brauche Sie nicht mehr.«
»Das hätten Sie mir aber auch ein wenig eher sagen können, finden Sie nicht?«
»Nein, das finde ich nicht. Überhaupt bin ich Ihnen keinerlei Rechenschaft schuldig. Es tut mir leid, dass Sie das alles falsch interpretiert haben. Aber wie gesagt, ich habe keine Verwendung mehr für Sie.«
Damit war unser Gespräch beendet.
Wie ich dann später von ihrer Nachbarin erfuhr, bei der ich nach wie vor putze, brauchten die Jansens mich als Urlaubsvertretung. Denn was ich nicht wusste: Sie hatten ein Au-pair-Mädchen aus Chile, das bei ihnen wohnte und sich neben den Kindern auch um den Haushalt kümmerte. Sie war aber für vier Wochen in ihr Heimatland zurückgeflogen, um ihre Familie zu besuchen.
Dass ich mal nur vorübergehend bei jemandem putze, wäre ja auch durchaus möglich gewesen. Nur hatten die Jansens mit mir nie darüber geredet. Dass sie es nicht nötig hatten, mich über diesen Umstand aufzuklären, und ich an diesem Mittwoch an der Haustür abgespeist wurde wie eine Bettlerin oder eine Staubsaugervertreterin, das verletzte mich.
Jedes Mal, wenn ich zu Frau Jansens Nachbarin gehe, um dort zu putzen, sehe ich zum Haus hinüber, in dem ich ein nur kurzzeitiges Gastspiel hatte, und frage mich, wie es wohl der Frau aus Chile ergeht und ob sie noch dort lebt. Obwohl ich sie noch nie gesehen habe, empfinde ich irgendwie Mitgefühl für sie. Ist sie noch da? Oder auch schon ein Opfer unserer Wegwerfgesellschaft geworden …?!
Tiger, mein Tiger
I ch putze gerne bei Anna-Maria und ihren beiden Söhnen. Sie ist Ende vierzig und arbeitet als Journalistin bei einer hessischen Tageszeitung. Elias und Jonas sind Anfang beziehungsweise Mitte zwanzig und studieren beide.
Bei ihnen kann ich mich locker und unverkrampft geben. Da muss ich kein Blatt vor den Mund nehmen. Manchmal kommt es vor, dass alle zu Hause sind, wenn ich zum Putzen antrete. Dann entwickelt sich daraus meist ein richtig witziger Besuch. Vor allem Anna-Maria kann Geschichten erzählen, dass ich nicht vergessen darf zu atmen – vor lauter Lachen. Ich beneide sie für ihren Humor.
Alles wäre toll. Gäbe es da nicht einen Wermutstropfen.
Und der heißt Tiger.
Anna-Maria liebt Tiger. Auf ihn lässt sie nichts, aber auch gar nichts kommen.
Ich hingegen hasse ihn. Ich würde ihn am liebsten in einem unbeobachteten Moment mit einem Küchenmesser bearbeiten und vom Balkon ihrer Altbauwohnung ins Verderben stürzen. Er macht mir das Leben zur Hölle. Und das Arbeiten zu einer Qual.
Denn Tiger ist ein Staubsauger. Anna-Marias Staubsauger. Den sie über alles verehrt. Ihre ganz persönliche heilige Kuh. Meiner Meinung nach ist Tiger veraltet, viel zu schwer und leistungstechnisch ineffizient. Alleine schon, wenn ich ihn anschalte, macht er einen Lärm, als finge der Rhein-Main-Flughafen genau hinter der Gästetoilette an und ein Jumbo-Jet sei gerade dabei, im Treppenhaus zur Landung anzusetzen. Der Tiger brüllt.
Außerdem ist er wahnsinnig sperrig. Ihn hinter mir herzuziehen, wenn ich durch die Räume sauge, fühlt sich an, als führte ich ein Nilpferd an der Leine. Und an jeder unebenen Fliese und an jedem unebenen Stück Parkett bleibt er hängen, wie ein bockiger Hund, der sich weigert, auch nur noch einen Meter zu gehen.
Irgendwann suchte ich das Gespräch mit Anna-Maria und ließ mich über Tiger aus. Woraufhin sie ihre Tasse Tee abstellte, mir lächelnd ins Gesicht sah und sagte:
»Wer mit Tiger schimpft, schimpft mit mir … Also, leg dich lieber nicht mit uns an!«
Wenn es um ihren
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