Nicht ganz sauber
schlechten ins Kröpfchen zu legen …
Also machte ich mich an die Arbeit. Obwohl die Wohnung viele Fenster hatte und draußen die Sonne schien, hatte SK es geschafft, durch die Auswahl ihrer altmodischen Tapeten, der schweren, dunkelbraunen Vorhänge und der braun-schwarzen Farbkombination ihrer Möbel ihrem Zuhause jegliche Helligkeit zu nehmen.
Die Wohnung schien mir zu sein wie sie selbst.
Dunkel. Bedrohlich. Traurig. Ohne Freude am Leben.
Vielleicht tue ich ihr unrecht. Aber das war damals der Eindruck, den ich von ihr hatte.
Ebenfalls in Erinnerung blieb mir das Schnaufen und Schnüffeln der drei Hunde, die ich an diesem Tag zwar nicht zu Gesicht bekam, weil sie ja in ihrem Hunde- beziehungsweise in ihrem Männerzimmer eingesperrt waren. Jedoch witterten sie mich natürlich und versuchten stets, unter dem Türspalt mit ihren Nasen mehr von mir zu erschnüffeln. Obwohl uns massives Eichenholz in Form einer Tür voneinander trennte, kam ich mir beobachtet vor. Von Wotan, Siegmund und Siegfried.
Ich schüttelte sämtliche Vorbehalte und mein Unbehagen ab und saugte, putzte, schrubbte und bügelte um mein Leben. Da alles in dieser Wohnung akkurat an seinem Platz zu sein schien, hatte ich so gut wie nichts auf- oder wegzuräumen. Selbst ihr Frühstücksgeschirr hatte SK bereits eigenhändig gespült und zum Trocknen auf die Abtropfvorrichtung gestellt.
Und da ich Hunde- und Arbeitszimmer nicht betreten durfte, fielen diese beiden Räume ja auch weg. So kam es, dass ich nach zwei Stunden und vierzig Minuten mit allem fertig war. Ich wollte aber auf jeden Fall die drei Stunden vollmachen. Und einfach vorzeitig zu gehen, das hätte ich auf keinen Fall gemacht. Ich traute SK zu, irgendwo eine heimliche Kamera installiert zu haben, die mich überwacht. Außerdem war sie, so wie der Herr Doktor aus dem ersten Buch, aller Wahrscheinlichkeit nach die Sorte Mensch, die mich nach der Minute abrechnen würde.
Also überlegte ich, was ich noch machen konnte. Und, wie es eben so ist mit Verboten: Untersagt man Menschen Dinge, werden diese erst so richtig interessant. Zugegebenermaßen war das auch eine meiner Schwächen. Es reizte mich zu sehen, was sich wohl hinter der Tür des geheimen Arbeitszimmers verbarg. War es am Ende so eingerichtet, wie ich es in meiner Misery -Vision vor mir sah? Eine Folterkammer? Mit Werkzeugen und einer Streckbank? Oder gar ein Dominastudio? War sie vielleicht nachts als so eine tätig?
Meine Aufregung wuchs, und mein Herzschlag nahm zu, je näher ich der Tür kam.
Mach kurz auf, schau kurz rein, und das war’s dann, dachte ich mir.
Langsam ergriff ich mit meiner zitternden Hand die Klinke und öffnete wie in Zeitlupe die Tür. Bevor ich einen Blick in das Zimmer werfen konnte, registrierte ich das energische Quietschen der Türangeln. Zaghaft steckte ich den Kopf durch den Spalt …
Und das, was ich sah – enttäuschte mich. Keine Leichenteile in Einmachgläsern. Keine Waffenschränke. Es war, was es war.
Ein stinknormales Arbeitszimmer.
In demselben langweilig spießigen Stil eingerichtet, mit den gleichen lebensverneinenden Farben. Ein Schreibtisch mit Schreibtischstuhl. Ein Bücherregal. Und ein Fenster mit den überall in der Wohnung vorhandenen, dunklen Vorhängen.
Wo war nun das große Geheimnis, das ich hier witterte? Warum veranstaltete SK so einen Wirbel um ihr Arbeitszimmer? Und vor allem: Warum sollte ich hier nicht putzen? Alles war, wie sonst überall auch, akkurat an seinem Platz. Ich würde also keine Unordnung machen.
Ich beschloss, mich über ihre Anweisung hinwegzusetzen. Am Ende würde ich ihr vielleicht sogar eine Freude machen. Ich ging in diesem Moment davon aus, dass sie auf die Reinigung des Arbeitszimmers verzichtete, weil sie Angst hatte, ich könnte dann die Vorgabe von drei Stunden nicht einhalten. Darum wollte ich sie überraschen und eines Besseren belehren. Ich nahm den Staubsauger zur Hand und begann, im Arbeitszimmer den Boden von Staubmäusen und Hundehaaren zu befreien.
Wenn Wotan, Siegmund und Siegfried hier rumtollen durften, dann würde sie wohl ja nichts dagegen haben können, wenn ich wenigstens mal kurz durchsauge.
Mit diesen Gedanken im Kopf und dem Lärm des Staubsaugers im Ohr bemerkte ich nicht, dass SK im Türrahmen auf der Schwelle zu ihrem Arbeitszimmer stand und mich beobachtete. Ich war davon ausgegangen, dass sie an diesem Tag länger unterrichten musste. Ein fataler
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