Nicht ganz schlechte Menschen
geräumt fand.
Das Fest, mit dem die Wiedereröffnung des Monbijou gefeiert wurde, bestand unter anderem aus einem nachmittäglichen Barbecue im
Innenhof des Hotels und verfolgte einen gewissen Zweck. Max hatte nicht nur
langjährige Stammgäste eingeladen, die er mit einer kostenfreien Nacht köderte,
er hatte sich auch gezielt an all jene Menschen gewandt, die irgendwann einen
der Spezialtarife in Anspruch genommen hatten. Über Kanäle, die nur einem wie
ihm zur Verfügung standen. Ganz disparate Elemente einer besonderen Klientel
kamen so zusammen und miteinander ins Gespräch. Max fühlte sich wie ein
Zirkusdirektor oder Marionettenspieler, der Verbindungen knüpfte, wo vorher
Anonymität geherrscht hatte. Pierre Geising bekam von alledem kaum etwas mit,
sein Beitrag erschöpfte sich in einer kurzen, aber glutvollen,
wohleinstudierten Rede, in der er Max und Ellie für ihr Engagement lobte. Er
war in Sektlaune und beinahe hätte er dem Publikum Ellie als seine künftige
Verlobte vorgestellt. Das wagte er dann doch nicht, ohne sich vorher mit ihr
abzusprechen. Auch war die Trauerzeit für Julie noch lange nicht abgelaufen.
Nach dem Barbecue gab es im umdekorierten Frühstückssaal einen
Tanztee; eine fünfköpfige kubanische Mulattencombo spielte Jazz mit vielen
Schlagern und Evergreens. Aufgrund der deutlichen Überzahl der männlichen Gäste
stellte sich nicht die erhoffte Stimmung ein, es wurde mehr getrunken als
getanzt. Die Drinks waren sämtlich umsonst, und Pierre, der nicht viel vertrug,
mußte, von Max und Ellie gestützt, die Festivität vorzeitig verlassen.
Tags darauf bekam er zu hören, wie ausgelassen sich das Ganze danach
noch entwickelt habe, als der Eiswagen gekommen sei und die Canapés, der Clown
und die Vorführung eines Farbfilms über die Amüsierbetriebe am Montmartre sowie
als Höhepunkt die Tänzerin Elisse Beau, aus eben einem jener Betriebe, dem Eve am Pigalle, zu guter Letzt als
wohltätige Geste die Versteigerung der wenigen Bestandteile ihres Kostüms zugunsten
der Witwen und Waisen des Viertels. Eine nicht geringe Summe, die Max und Ellie
an die Witwen und Waisen weiterzugeben vergaßen. Rundherum konnte das Fest als
voller Erfolg gelten. Das Monbijou würde von nun an einen gewissen Ruf genießen,
würde zu den kostbaren Lokalitäten gehören, die man nur sympathischen Menschen
empfahl.
Pierre entschuldigte sich für sein frühes Ausscheiden und lud Max
und Ellie zu einer Boxveranstaltung ein. Im Salle Wagram sollte der
französische Mittelgewichtler Tenet gegen den Deutschen Meister Besselmann
antreten. Für diesen und sechs andere Kämpfe kosteten die besten Plätze stolze
75 Francs, was um so teurer war, als der Hauptkampf des Abends schließlich
ausfiel, weil Jupp Besselmann keine Starterlaubnis aus Berlin bekam.
Bei jener Gelegenheit, direkt am Ring, während irgendein Schwede
gegen irgendeinen Belgier kämpfte, hielt Pierre auf die beiläufigstmögliche
Weise um Ellies Hand an. Später erklärte er, daß er nur unter diesen Umständen
den Mut dazu hätte aufbringen können. Ellie erklärte ihrerseits, daß sie unter
diesen Umständen den Antrag als Jux aufgefaßt und deswegen keine Antwort
gegeben habe. Es finde sich bestimmt irgendwann eine bessere Gelegenheit und
ein romantischeres Szenario, dann könne er einen zweiten, weniger beleidigenden
Versuch wagen.
Am selben Tag verbreitete sich weltweit das Gerücht, Pola Negri habe
eine Liebesaffäre mit Adolf Hitler. Dies war zwar nur eine Zeitungsente, gegen
die Pola Negri gerichtlich vorging und gewann, doch die bloße Meldung nahm Ellie
der populären Schauspielerin so übel, daß sie fortan nie wieder eine ihrer
Frisuren kopierte.
Der Frühling ’37 war für die Loewe-Brüder eine erfüllte
Zeit. Keiner von beiden hätte mit dem anderen tauschen mögen, und jeder war auf
seine Weise glücklich. Max wurde von Pierre zum Sous-Chef ohne klar definiertes
Aufgabengebiet ernannt, sehr zum Entsetzen Xavier Chapelles, der seinen Titel
als Hotelmanager dadurch entwertet sah. Max verdiente fortan 850 Francs im
Monat, ohne etwas Bestimmtes dafür tun zu müssen. Und steuerfrei. Pierre wollte
Max und Ellie, seine künftigen Familienmitglieder, versorgt wissen und von der
Peinlichkeit befreit, ihn jedesmal um Geld zu bitten, wenn sie etwas
benötigten. Ellie sollte damit indirekt enger an ihn gebunden werden. Zuletzt
war es auch ein Weg, sich bei ihr für die absurden Umstände des Heiratsantrags
zu entschuldigen.
In
den
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