Nicht ganz schlechte Menschen
Publikum.
Ein solcher Satz machte es Karl einfach, das Gespräch an diesem
Punkt abzubrechen und nach Hause zu gehen. Dieser Spinner hatte nur Quatsch
abgesondert.
Aber er hatte auch Spanien erwähnt. Spanien.
Für Karl bislang kaum mehr als ein vage mediterran konnotiertes
Wort, hallte es nach in seinem Kopf. Bei nächster Gelegenheit wollte er sich
erkundigen, was es damit auf sich hatte.
Am 8. Februar 1936, denkbar kurz bevor Max und Karl ihre
Volljährigkeit feierten, starb der alte Ernst-Erich Loewe, denkbar sanft,
mittels Herzschlag im Fauteuil, während im Radio der denkbar spannende
Slalom-Abfahrtslauf der Damen aus Garmisch-Partenkirchen übertragen wurde. Die
Brüder bekamen vom Tod ihres Onkels und Vormunds zuerst nichts mit. Erst als
Karl Anfang März, wie alle paar Monate wieder, mit seinem Freund Johann
Münchinger korrespondierte, weil ihm an glaubhaften Berichten über die Lage im
deutschen Reich gelegen war, erwähnte der, er sei von einem Nachlaßverwalter
angeschrieben worden, einem Herrn Dr. Hans Malies. Malies habe wissen wollen,
ob es eine postalische Adresse gebe, unter der Max und Karl Loewe zu erreichen
wären, wegen Liquidierung der Erbmasse. Karl, dem kaum noch ein Sou geblieben
war, schrieb sofort an Dr. Malies und wollte wissen, ob es sich lohnen würde,
das Erbe anzutreten.
Diese Auskunft könne er ihm leider nicht geben, meinte Malies, denn
es hätte noch kein Gutachter über den exakten Wert der Hinterlassenschaft
befunden. Es zeichne sich aber ab, so sein diskreter Hinweis, daß die Brüder
keine Schulden übernehmen müßten, von daher lohne sich das Erbe bestimmt. Karl
und Max dachten nach. Der verstorbene Onkel hatte immerhin ein Haus am Rande
Leipzigs besessen. Wenn man das zu Geld machte, konnte man jahrelang sorgenfrei
leben.
Am
27. Februar 1936 ließ Hitler die entmilitarisierte Zone im Rheinland besetzen,
womit die Souveränität des Reiches über seine Westgrenze wiederhergestellt war.
Diese erneute Revidierung der Versailler Verträge wurde von der Bevölkerung
gefeiert. Durch Hitlers Beteuerungen, nur friedliche Absichten zu hegen, ließen
sich Großbritannien und Frankreich beschwichtigen. Die wohl letzte Möglichkeit,
Deutschland auf dem Weg zur Großmacht durch einen begrenzten Krieg in die
Schranken zu weisen, ging ungenutzt vorüber.
Max weigerte sich, Reichsgebiet zu betreten, das käme für
ihn auf keinen Fall in Frage. Bestimmt stand sein Name auf etlichen Listen
etwaiger Regimefeinde, schon wegen dieser Sache damals mit Jerzy Sosnowski.
Karl suchte einen deutschen Exil-Anwalt auf, der sich auf
Exilanten-Problematiken spezialisiert hatte. Ob ihm Strafverfolgung drohe,
fragte Karl, weil er sich dem Wehrdienst entzogen habe? Der Anwalt meinte, nun,
formaljuristisch nein, denn zum Zeitpunkt des Grenzübertritts habe es ja noch
keinen Wehrdienst gegeben. Zu seinem Glück habe er sich an der Sorbonne
eingeschrieben und könne so für sich geltend machen, ein Jahr Auslandsstudium
hinter sich gebracht zu haben. Unter einer Willkürherrschaft werde
selbstverständlich nicht alles von Paragraphen geregelt. Grundsätzlich aber,
vom Buchstaben des Gesetzes her, und solange sein Paß noch gültig sei, könne
Karl guten Gewissens ins Reich einreisen, er dürfe sich dort nur nicht
allzulange aufhalten und keinen festen Wohnsitz annehmen. Ansonsten könne ihm
ein Musterungsbescheid zugestellt werden, der ihn dann in seiner Mobilität
ernsthaft einschränken würde. Wenn Max dem Bruder eine Interessenvertretungserklärung
unterschriebe, könne Karl das Erbe in beider Namen in Empfang nehmen. Wie
schnell er es dann flüssig machen würde, sei natürlich eine andere Frage, aber
das könne durch einen deutschen Anwalt mit gegebenem Mandat stellvertretend
geregelt werden. Der würde selbstverständlich zehn bis fünfzehn Prozent
verlangen, vom Nettogewinn aus der Erbschaftsliquidierung, aber zu diesem
Abschlag war Karl gerne bereit.
Insgesamt, meinte sein Rechtsbeistand, müsse die Reise nach Leipzig
und zurück nach Paris keine Woche in Anspruch nehmen, wenn man die Dinge vorher
terminlich koordinieren würde.
Max versuchte noch, seinen Bruder umzustimmen. Der lehnte rigoros
ab.
Es grenze an Wahnsinn, predigte Max, in einem Drachenrachen,
zwischen den Zähnen des Raubtiers, nach versteckten Schätzen zu suchen. Zwar
stand die Olympiade kurz bevor, und es herrschte in Deutschland so etwas wie
politisches Tauwetter; etliche Bestimmungen wurden gelockert. Schilder, die
Weitere Kostenlose Bücher