Nicht lecker, aber Weltrekord
frage ich nach: »Und der dritte Platz, ist der auch schon besetzt?«
»Ja«, antwortet Britta, »da hat sich eben noch so ’n Mädel gemeldet.«
Begeistert sagen wir Britta für den Mittwoch zu. Bisher haben wir Glück. Wir haben tatsächlich Frau Britta und noch so ’n Mädel bekommen. Alles Weitere hängt nun von unserer perfekten Planung ab.
***
Mein Freund und ich haben uns auf eine einfache, aber wirkungsvolle Tarnung geeinigt. Wir wollen ein frisch verliebtes Paar mimen, das unansprechbar, weil trunken vor jungem Glück, wirken soll. Falls uns unsere schauspielerischenFähigkeiten im Stich lassen sollten, haben wir zur Not einen Träger Bitburger im Handgepäck. Jeder seinen eigenen, versteht sich.
Seit neun Uhr stehen wir am Treffpunkt, Bahnhof Hamburg-Ohlsdorf. Britta wird laut Protokoll gegen elf Uhr hier eintreffen oder Punkt elfhundert, zentraleuropäische Zeit, wie mein Freund es formuliert. Die Junkies von gegenüber glotzen uns verunsichert an, obwohl wir ihnen mit unseren Dosen zuprosten. Vielleicht liegt es daran, dass wir uns teilweise im Gebüsch versteckt haben. Wir gehen davon aus, dass es schlauer ist, wenn wir »noch so ’n Mädel« erst einmal ausspähen, bevor sie uns zu Gesicht bekommt. Dann können wir individuell reagieren. Falls es sich bei der Zielperson um so eine kleine Studentin handeln sollte, müssen wir unsere Bierreserven auffrischen.
Leider konnten wir in der Eile kein zufriedenstellendes Exposé über unsere Fahrerin Britta zusammenstellen, weil sie Müller mit Nachnamen heißt. Allein in Norddeutschland leben 6780 registrierte Personen unter diesem Namen, die Dunkelziffer ist vermutlich weitaus höher.
Bereits um zehn Uhr macht sich der Lagerkoller in unserem Camp hinter dem Altglas-Container breit. Keine Britta Müller, keine Spur von noch so ’m Mädel. Um nicht durchzudrehen, proben wir unseren Sprung auf die Rückbank von Brittas Wagen. Immer wieder schlagen wir hart auf dem Asphalt auf, unsere Schlafsäcke könnten uns nur schützen, wenn wir zur Punktlandung fähig wären.
Ich sehe, wie einer der Junkies auf dem Handy eine verdächtig kurze Tastenkombination eintippt, vielleicht den Notruf.
»Oder Brittas Kurzwahl«, orakelt mein Freund düster und befiehlt: »Geh rüber! Nimm Bier mit, mach dir ein paar Freunde! Ich tippe darauf, dass der mit dem grauen Bart der Maulwurf ist. Zieh doch bei Gelegenheit mal dran.«
Um zehn vor elf kommt Leben in die Bude. Das Bier ist leer, der Bart meines neuen Freundes namens Bomber echt, und »noch so ’n Mädel« ist endlich aufgetaucht. Es trägt einen riesigen Rucksack, eine Isomatte und überflüssigerweise noch einen Streifenpulli.
»Verdammt, das ist ja noch ein Kind«, entfährt es mir, als »noch so ’n Mädel« sich am Familien-Benz von Mami und Papi verabschiedet, dabei nimmt es Küsse und einen Proviantsack entgegen.
»Es ist ein grausamer Krieg, aber wir sind auf der richtigen Seite«, knurrt mein Freund und macht sich auf dem Weg zum Streifenpulli.
Zur Einschüchterung bleibt er etwa einen Meter vor ihm grußlos stehen und fängt an, komisch zu riechen.
Die Operation »Skunk-Anästhesie« ist geglückt, der Streifenpulli gelähmt, mein Freund grinst. Es sind die kleinen Dinge, die einen Mann zu einem Helden machen.
Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. »Tut-tut!«, tutet es hinter mir, zu meiner Überraschung ist es keine Tute, sondern einen Hupe, die da tuten tut. Brittas Hupe. Sie kurbelt das Fenster herunter.
»Hallo, ihr seid wohl das Paar, oder?«, versucht sie mich auszuhorchen. Mein Freund erkennt die Brenzligkeit der Situation sofort, schlägt die Hacken zusammen und spricht zackig: »Jawoll, das Paar! Frisch verliebt, Ma’m, trunken vor Glück!«
»Okay«, antwortet Britta und wendet sich an den Streifenpulli. »Willst du dann vorne sitzen?«
»Bitte«, haucht das Mädchen.
Die lokale Betäubung, die mein Freund gerade an ihr vorgenommen hat, lässt langsam nach. Ein wenig bedauerlich ist es schon, dass wir ganz umsonst unsere Hechtsprünge exerziert haben, aber die Genugtuung macht vieles wieder wett. Wir streichen uns den Rollsplitt vom Kinn und steigen zufrieden durch die hinteren Türen ein. Als auch der Streifenpulli sitzt, erkundigt sich Britta bei ihrer Beifahrerin: »Wie heißt du denn eigentlich? Ich habe deinen Namen am Telefon nicht mitbekommen.«
»Kerstin«, antwortet Streifenpulli, und das Unheil nimmt seinen Lauf.
Ich habe viele, viele saudämliche Agentenfilme
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