Nicht mehr tun, was andere wollen
treffen. Der Grund für diese Illusion ist derselbe, den Sie auf der vorherigen Seite lesen konnten: Ihr Gehirn bedient sich der Informationen über die direkte Umgebung, in diesem Falle also die Speichen, geht davon aus, dass das, was Sie sich da anschauen, konsequent so weitergeht, und füllt Ihren blinden Fleck damit auf.
Mir ist bewusst, dass Sie mittlerweile vor Ungeduld schon mit den Füßen scharren und sich fragen, was das alles bloß mit Beeinflussung zu tun haben soll. Ich versichere Ihnen, es hat etwas damit zu tun, es bedeutet nämlich, dass Reklame und Propaganda nicht besonders konkret präsentiert werden müssen, solange nur die Message deutlich und konkret ist. Tatsächlich ist es sogar besser, wenn Teile fehlen. Denn wie gesagt, unser Gehirn liebt Muster, und sobald wir eine Lücke sehen, füllen wir sie aus. Die Mini-Erinnerungen, die ich in der Einleitung erwähnt habe, sind auch nur eine Form der Mustererkennung, bei der wir automatisch ein Muster ergänzen, sobald wir es einmal erkannt haben. Und dieser Grundsatz gilt eben für alle Arten von Information, nicht nur für Sinneseindrücke. Das Experiment, bei dem die Teilnehmer unfertige Worte ergänzen mussten, zeigt nur, dass wir nicht besonders deutlich werden müssen, wenn wir eine Assoziation, ein Gefühl oder eine Verhaltensweise bei jemandem hervorrufen wollen, wenn wir also etwas » aktivieren« wollen, worauf die Person vorher » geprimet« wurde. Es reicht schon, einen Teil der Information zu präsentieren, um die indirekte Erinnerung und damit bestimmte Assoziationen zum Leben zu erwecken. Durch diese Verfahrensweise wird die Verbindung oder die Botschaft sogar noch verstärkt, denn das Gehirn wird bei der Komplettierung des Musters ja zu einem kreativen Prozess gezwungen. Das muss doch der Wunschtraum jedes Propagandaministers und Werbemachers sein: Man muss es den Leuten überhaupt nicht so auffällig unter die Nase reiben, damit sie es kapieren. Im Gegenteil, indem man ganz hinterlistig nur einen Teil der Information liefert, kann man bei der Zielperson nicht nur die unbewusste Botschaft wecken, nein, sie wird sogar auch noch stärker.
Da wir so gut darin sind, in allen möglichen Zusammenhängen Muster zu ergänzen, ist es effektiv, Information auszulassen. In manchen Fällen sind wir gezwungen, selbst nach einer sinnvollen Bedeutung zu suchen, wenn nicht ganz klar ist, was eigentlich gemeint ist. Wenn auf einem Waschmittel nur steht: » Wäscht noch weißer!«, kommen wir schnell darauf, was eben nicht ganz so weiß gewaschen wird, auch wenn uns diese Information vorenthalten wird. ( » Ach, die meinen weißer als…« Ja, weißer als was? Als andere Waschmittel? Als Matsch?) Durch das Unterschlagen von Teilen der Information sind wir auch gezwungen, kurz innezuhalten und unseren Grips anzustrengen– und sei es auch noch so kurz– und uns auf das Muster zu konzentrieren. Im Zusammenhang mit Beeinflussung kann dieses » Muster« natürlich auch aus Worten bestehen, wie z. B. ein politischer Slogan oder eine Werbekampagne.
Wenn eine Anzeige oder ein Fernsehspot nur kurz wahrgenommen werden (was ja oft der Fall ist– im nächsten Moment haben wir schon umgeblättert oder weitergezappt ), sollte die Anzeige so gestaltet sein, dass der Leser sich auf eine Aufgabe konzentrieren und sie lösen muss, um sich direkt anschließend im Geiste die Botschaft zu wiederholen. Die Verwendung von Abkürzungen und unvollständigen Slogans bringt den Leser dazu, das Muster zu ergänzen. Wenn Sie das tun, wiederholen Sie die Message sehr effektiv. An » bruchstückhafte« Logos erinnern Sie sich viel besser als an andere, denn Sie zwingen Ihr Gehirn zu dem automatischen Prozess der Mustervervollständigung– und so schenken Sie dem Logo mehr Aufmerksamkeit, als Sie es sonst getan hätten.
Bei Viking Line wusste man sehr genau, was man tat, als man das alte Logo kappte. Das ursprüngliche, vollständige »VIKING LINE« wurde radikal verändert, indem man nur noch das mittlere Segment stehen ließ. Um unserem Gehirn ganz sicher zu verstehen zu geben, dass es sich nicht nur um vier Buchstaben handelt, sondern dass hier noch ein Muster ergänzt werden muss, fehlt der Anfang des Buchstabens N, und das Schluss-I ist sichtlich auch noch halbiert worden – als hätte man das Logo tatsächlich mit einer Schere zerschnitten. Viking Line musste natürlich darauf achten, das Logo in anderen Zusammenhängen vollständig zu verwenden, so dass der Name
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