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Nicht mehr tun, was andere wollen

Nicht mehr tun, was andere wollen

Titel: Nicht mehr tun, was andere wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henrik Fexeus
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sind wir plötzlich technisch geschicktere und wahrscheinlich auch tollere Menschen. Unser Partner, unsere Kinder und unsere Nachbarn bewundern uns. Auf einmal dürfen wir wild rumknutschen, unsere Kinder haben ein großes Vorbild, und unser Nachbar rennt zum nächsten Baumarkt, um sich auch so ein Ding zu kaufen. Uns erfüllt ein herrliches Gefühl der Befriedigung, des Selbstvertrauens und der Selbstverwirklichung. Mit anderen Worten: Wir sind plötzlich Gewinner. Zumindest so lange, bis der Nachbar mit dem teureren Modell ankommt.
    Die Reklame für diese Kreissäge preist wahrscheinlich alle Vorteile und fantastischen Funktionen des Produkts an. Aber was Sie zum Kauf verleitet, sind gar nicht die Funktionen und all die tollen Knöpfchen. Es ist der geradezu lebensverändernde Wert, den es seinem Besitzer schenken wird. Um das richtig zu verdeutlichen, wird das Produkt mit einem Bild von jemand präsentiert, der genauso selbstsicher und toll ist, wie Sie auch gerne sein möchten: ein geschickter Heimwerker, der die Säge oder den Staubsauger in der Hand hat, jemand, der irgendwie an eine väterliche Gestalt erinnert. (Eine etwas unwissenschaftliche Untersuchung hat gezeigt, dass wir uns beim Heimwerkern am liebsten von unserem eigenen Vater helfen lassen.)
    Wir betrachten unsere Besitztümer als konkreten Ausdruck unserer eigenen Existenz. Sie sind ein Beweis dafür, dass es uns gibt. Wenn das jemand bezweifeln sollte, müssen wir nur unsere DVD-Sammlung herzeigen. Deswegen geben wir unseren Besitz auch so ungern aus der Hand. Wenn Sie ein kleines Kind sehen, wie es krampfhaft seine Puppe umklammert, wenn es mit seinem Lieblingsspielzeug einschläft und es unbedingt in den Kindergarten mitnehmen muss, dann geht Ihnen vielleicht langsam auf, was für eine unglaubliche Kraft dahintersteckt, etwas zu besitzen. Ich besitze, also bin ich.

Psychoanalyse an der Tiefkühltheke
    Shopping à la Freud
    Der Motivationspsychologe Ernest Dichter befragte unzählige Menschen und kam zu dem Ergebnis, dass alles, was wir besitzen, einen symbolischen Wert hat, der wichtig für uns ist, auch wenn wir uns dessen oft nicht bewusst sind. Und verschiedene Besitztümer bedeuten verschiedene Dinge. Wir erinnern uns, dass seine Deutungen ziemlich von Freud beeinflusst sind, und ich bin eigentlich kein allzu großer Fan von Herrn Sigmund Freud. Doch er hatte eine Menge witzige Ideen, über die nachzudenken sich schon lohnt. Ein Beispiel für Dichters Analysen: Ein Schreibtisch dient dazu, Sachen zu verstauen, aber auch, Sachen zu verstecken. Auf diese Weise hängt er mit der Vergangenheit zusammen, aber es kann ja sein, dass Sie irgendeines von den Dingen in Ihrem Schreibtisch auch mal wieder benutzen. Also hat so ein Schreibtisch mit der Kontinuität Ihrer Existenz zu tun. Der ewige Wunsch des modernen Menschen nach immer größeren Kleiderschränken– die offenbar nie ausreichen, weder heute noch damals in den 60er Jahren, als Dichters Untersuchungen angestellt wurden– hat einen tieferen psychologischen Inhalt. Ein Schrank ist die Zeitkapsel der Familie. Darin befindet sich das, was einmal gewesen ist, das, was jetzt ist, und das Versprechen einer Zukunft. Das, und dazu noch viel zu viele Schuhe.
    Oder die Sache mit dem Feuerzeug. Was macht so ein Feuerzeug eigentlich? Es gestattet uns, die wahrscheinlich gefährlichste, aber auch nützlichste Naturgewalt zu zähmen: das Feuer. Jedes Mal, wenn wir ein Feuerzeug benutzen, zeigen wir, dass wir Meister dieses Elements sind. Wer Feuer machen kann, kann auch garantieren, dass man immer Essen kochen kann, dass uns warm ist und er die Herde beschützt. Aber er kann auch jederzeit diese unglaublich destruktive Kraft entfesseln, die potenziell jeder Flamme innewohnt. Wer auf Bestellung Feuer machen kann, ist eine Art Gott. Das ist eine extrem potente Handlung, was wohl auch eine ziemlich gute Erklärung dafür ist, warum Teenager so gerne mit ihren Feuerzeugen herumspielen: an, aus, an, aus… Das ist quasi ein Männlichkeitsbeweis, in einem Alter, in dem eine deutliche sexuelle Identität und das geschlechtstypische Gehabe extrem wichtig sind. Und es ist– wie Dichter argumentiert– wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass wir Männer oft unverhältnismäßig sauer werden, wenn so ein Feuerzeug nicht funktionieren will. Denn gerade wenn wir beweisen wollen, wie wir die Naturgewalten beherrschen, lässt uns das Ding im Stich und erklärt uns mehr oder weniger für impotent. Wie gesagt, ganz

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