Nicht mehr tun, was andere wollen
schon freudianisch. Aber vielleicht einer der Gründe, warum Zippo so einen Erfolg hatte mit seinem Versprechen, man verkaufe das Feuerzeug, das nie versagt.
Superb
Wenn die Freud’sche Deutung des symbolischen Werts der Gegenstände korrekt ist, ließe sich damit auch Folgendes erklären: Die unten abgebildete Anzeige war Teil einer Kampagne, die vor ein paar Jahren von der Suppenmarke Souperb lanciert wurde.
Dichter zufolge hat Suppe geradezu magische Eigenschaften: ein Mischmasch aus Zutaten, der an die Zaubertränke aus Märchen und Legenden erinnert. Auch heute hat die Suppe noch etwas fast Magisches an sich: Wenn wir krank sind, essen wir oft Suppe, weil sie » uns guttut«. Suppe wird mit Wärme, Geborgenheit und Wohlgefühl assoziiert und mit Mutterliebe obendrein. Wenn wir krank werden, fallen wir mental oft ins Kinderstadium zurück– auf jeden Fall wir Männer. Und dann wollen wir Mutterliebe. Ernest Dichters Befragungen zeigten, dass Suppe– genauso wie Milch– das perfekte Symbol für Mutterliebe ist. Aber dass sie eher von Männern als von Frauen gewünscht wird. Suppe symbolisiert, so sagt Dichter, die Liebe der Frau zum Mann, der wiederum Beschützer und Verteidiger des Heims ist. Daher ist sie eher etwas für den Mann und den Sohn, nicht für die Tochter.
Diese Analyse stellte Dichter in den frühen 60er Jahren an, und die Rollen im heimischen Umfeld sowie die Waren, die man dort findet (z. B. Suppe), haben sich natürlich verändert. Aber wir wollen doch noch mal kurz mit dem Gedanken spielen, dass er da auf etwas gestoßen ist, das nicht ganz abwegig ist. Und mit dieser Brille auf der Nase werfen wir noch einmal einen Blick auf das Bild.
Suppe als Zaubertrank? Tja, mit dem glatten Haar, den Puffärmeln und Augen, die dank der Sonnenbrille nur zwei schwarze Löcher sind, sieht das Fotomodell in dieser Anzeige tatsächlich aus wie die klassische Hexe. Die Suppe an sich scheint sich auch übernatürlich zu gebärden und schlingt sich um die Frau wie ein Zauberbann. Wenn wir das Freud-o-meter noch ein Stück weiter aufrollen, kommen wir auf etwas richtig Interessantes. Denn was macht diese Suppenhexe eigentlich? Die magisch leuchtende Substanz ist zweifelsohne auf dem Weg in ihren Mund. Und wenn man sich so ansieht, wie der Grafiker die » Suppe« geformt hat, muss man kein verklemmter Psychoanalytiker sein, um an Oralsex zu denken. Die Suppe, die in den 60er Jahren Mutterliebe für den echten Mann darstellte, ist in unserer modernen Welt der Alltagspornografie zum Sexualakt geworden. Wir sehen hier also etwas leicht Übernatürliches, Verlockendes, wir sehen den Auftakt zu einem potenziellen Blowjob, vielleicht sehen wir sogar ein wenig … sündhaftes Benehmen? Warum nicht. Heutzutage reicht das Freud-o-meter bis zur 11. Denn würde man sich die Suppe wegdenken, woran würde die Form der Lücke dann erinnern? Moment … Moment … vielleicht eine Schlange? Selbst wenn wir nicht mehr so stark christlich geprägt sind, ist das Bild von Eva und der Schlange immer noch ein sehr starkes (und sexuelles) Symbol. Vor allem wenn der Empfänger dieser Suppen-Botschaft in den meisten Fällen ein Mann ist, wie Dichter vor 50 Jahren behauptete. Diese Anzeige ist mit anderen Worten ein symbolisches Wirrwarr, das sich alles zunutze macht, wovon Dichter gesprochen hat: die Liebe der Frau zum Mann, Lust, Sex, die Verheißung von etwas Magischem, Machtvollem. Zusammen mit einem Text, der Worte wie » heiß« und » genießen« einsetzt. Man vergisst fast, worum es hier eigentlich geht, nämlich um ein Fertiggericht, das man sich aus der Tiefkühltheke holen soll.
Inwieweit die Werbegestalter das alles absichtlich gemacht haben, ist kaum relevant. Wie ein Lehrer einmal so schön zu mir sagte: » Nur weil die Symbole nicht bewusst eingesetzt werden, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht da sind.« Und wenn sie da sind, reagieren wir auch darauf. Sagt jedenfalls Ernest Dichter.
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