Nicht mehr tun, was andere wollen
wir uns für bestimmte Ansichten entschieden haben, verstärken wir sie noch, indem wir uns wie ein Radio verhalten, das auf eine bestimmte Frequenz eingestellt ist. Unser Ansichten-Sender siebt aus und bestimmt, welche Art von Informationen wir weiterhin vorlassen. Obwohl dieser Mechanismus ein psychologischer ist, gründet er eigentlich auf unserer körperlichen Funktionsweise. Unser Nervensystem würde wegen Überlastung zusammenbrechen, wenn wir auf jeden noch so kleinen Reiz in unserer Umgebung reagieren würden. Wie ich bereits auf den ersten Seiten geschrieben habe, wählen wir sorgfältig aus, welche Informationen wir aufnehmen– und das müssen wir auch. Das Problem ist nur, uns ist nicht mehr bewusst, dass wir eine Auswahl treffen. Eines der Kriterien, mit denen wir Eindrücke aus dem ganzen Rauschen herausfiltern, ist, dass wir Dinge bevorzugen, die wir entweder wiedererkennen oder die uns gefallen. Und Eigenschaften wie » Hab ich wiedererkannt« und » Gefällt mir« passen tatsächlich ganz prima zusammen.
Der Verhaltensforscher Robert Zajonc hat jahrzehntelang unsere sozialen und kognitiven Prozesse erforscht. An der Universität Michigan demonstrierte er, dass eine Person einen Gegenstand, dem sie häufig begegnet, immer attraktiver findet. In drei Versuchen zeigte Zajonc den Testpersonen sinnlose Wörter, chinesische Schriftzeichen und Fotos von Studenten. Jeder Gegenstand wurde 0 bis 25Mal gezeigt. Dabei stellte sich heraus, dass die Teilnehmer etwas umso attraktiver fanden, je öfter sie es gesehen hatten. Andere Studien deuten dasselbe an: Wenn man einer Sache öfter ausgesetzt wird, gefällt sie einem immer besser. Wie dieser Song, der immer besser wird, je öfter Sie ihn im Radio hören. Oder Ihr Lieblingsfilm, den Sie bestimmt schon hundertmal gesehen haben. (Bitten Sie Ihre Freunde, mal ganz ehrlich zu sagen, wie oft sie sich schon Tatsächlich … Liebe angeschaut haben.)
Doch oft erkennen Sie nicht, dass Ihre Einstellung zu etwas dadurch beeinflusst worden ist, wie oft Sie dieser Sache ausgesetzt waren. In einem Experiment zeigte man den Testpersonen Fotos von Gesichtern, allerdings so schnell, dass die Betrachter sich später nicht erinnern konnten, diese Gesichter schon einmal gesehen zu haben. Trotzdem– je öfter ein Gesicht auf dem Bildschirm aufgeblinkt war, umso sympathischer war den Testpersonen die betreffende Person, wenn sie sie später wirklich kennenlernten. Zudem ließen sich die Testpersonen von den Gesichtern und Aussagen dieser Personen ebenfalls stärker beeinflussen.
Wir sollten kurz nachdenken, was das bedeutet. Es geht also um ein unbewusstes Wiedererkennen, denn die Personen waren den Versuchsteilnehmern bekannt (und konnten sie dadurch stärker beeinflussen ), obwohl die Testpersonen glaubten, diese Menschen nie zuvor gesehen zu haben. Wenn ein Politiker sich als vertrauenswürdig darstellen und seine Wähler stärker beeinflussen will, sollte er dann die Plakatkampagnen in der Stadt einstellen und stattdessen Bilder von seinem Gesicht im Fernsehen senden lassen, so schnell, dass es niemand bewusst mitbekommt? Sieht ganz so aus. Aber das setzt natürlich voraus, dass wir nicht abgelenkt werden, während wir vorm Fernseher sitzen. Sonst würden wir ja am Ende im entscheidenden Augenblick wegsehen und die geschickt versteckten Bilder verpassen. Glücklicherweise sehen wir bei der Fernsehwerbung nie so konzentriert hin wie die Personen im Experiment. Außerdem wissen wir auch nicht, wie stark das unbewusste Wiedererkennen uns im Vergleich zum bewussten beeinflusst. Wie beeinflusst es uns, dass das Gesicht von Guido Westerwelle permanent in den Medien auftaucht? Nimmt unser Vertrauen zu ihm zu oder ab, wenn wir ihn bewusst erkennen?
Der alte griechische Märchenonkel Aesop hatte die Vorstellung, dass wir die Dinge, die wir wiedererkennen, irgendwann verachten. Es ist möglich, dass Aesops Ansichten zutreffen, wenn die Tiere ihre » Zusammenkünfte« im Wald abhalten. Möglicherweise hob er auch darauf ab, dass wir mit Politikern eher mal unsere Probleme haben. Aber wenn es darum geht, inwieweit ein Wiedererkennen nach wiederholten Begegnungen uns beeinflusst, liegt Aesop heute hoffnungslos daneben. In der Werbung gilt das Gegenteil: Die Tatsache, dass wir mit etwas vertraut sind, schafft Neigung, Sympathie und sogar » Wahrheit«. Wir mögen und glauben an Dinge, die wir schon einmal gesehen haben. Sie können sich selbst ansehen, wie das funktioniert, indem Sie
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