Nicht mehr tun, was andere wollen
Kinder haben Schuldgefühle. Sie machen sich Sorgen, ihrem Job, ihren Freunden und vor allem ihren Kindern nicht ganz gerecht werden zu können.
Ein spezielles Gebiet, auf dem die Schuldgefühle gegenüber den eigenen Kindern sich äußern, ist das Essen. Wir schaffen es nicht mehr, uns zu Hause an den Herd zu stellen und Essen zu kochen, wie es unsere Eltern unserer Meinung nach gemacht haben. Stattdessen greifen wir auf Fertiggerichte und Konserven zurück. Dann bekommen wir Schuldgefühle, weil die Kinder vielleicht nicht genügend gutes Essen bekommen. Und daher gewinnen die Lebensmittelverpackungen, die nach den Regeln gestaltet sind, die der Marketingpsychologe Alan Gross aufgestellt hat: Wenn der Hersteller eine Verpackung mit einem bunten Bild von offenbar selbstgekochtem Essen entwerfen lässt, serviert mit gaaanz viel Gemüse, schlägt er zumindest die Möglichkeit vor, dass dieses Produkt Bestandteil einer nahrhaften Mahlzeit sein könnte. Und Kindernahrung von Hipp ist ja auch noch aus ökologischem Anbau. Gewinner wird immer derjenige sein, bei dem wir am wenigsten Schuldgefühle haben.
Es gibt natürlich mehr Arten von Schuldgefühlen als die, die wir gegenüber unseren Kindern empfinden. Die meisten Menschen fühlen sich einsam und unausgefüllt. Damit sind Sie nicht allein. Viele fühlen sich machtlos, wenn es darum geht, etwas » Sinnvolles« mit ihrem Leben anzufangen. Und es fühlt sich schrecklich unbefriedigend an, solche beunruhigenden Gefühle und psychologischen Bedürfnisse durch äußerliche Maßnahmen wie Tiefkühlgerichte, vom Zahnarzt empfohlenen Kaugummi oder effektivere Waschmittel abzupuffern. Das Leben sollte einem eigentlich mehr bieten. Alan Gross meinte, die Leute wüssten im Grunde, dass nichts von dem, was sie kaufen, ihre innersten Träume und Wünsche erfüllen kann.
» Wenn man sich etwas kauft, fühlt man sich eben vorübergehend etwas besser«, sagte er in einem Interview. » Das tun wir alle. Manche kaufen sich Schokolade, wenn sie deprimiert sind. Immer noch besser als Kokain.«
Hart, aber wahr. Die Dinge um uns herum bieten uns eine Art Ausgleich für unser Gefühl, dass wir im Leben ständig zu kurz kommen. Auch wenn wir wissen, dass unsere Käufe nur leere Symbole für etwas sind, das wir uns sehnlichst wünschen, jagen wir ihnen hinterher wie Seifenblasen, weil unser Leben ohne sie viel zu leer und düster wäre.
Warum lassen sich Schuldgefühle so gut ausnutzen, wenn man Sie zu etwas bringen will? Gross hat drei mögliche Erklärungen formuliert:
Sympathie: Wir mögen die Leute, denen wir angeblich etwas angetan haben.
Wiedergutmachung: Wir wünschen uns, unsere falschen Handlungen zu kompensieren.
Generelle Schuld: Wir wünschen uns, das Selbstbild zu reparieren, das durch unser Vergehen Schaden genommen hat.
Im Beispiel mit den Eltern kleiner Kinder schlägt die Verpackung von Lebensmitteln in die Kompensationskerbe, Grund Nummer zwei. Die dritte Alternative ist auch sehr interessant: Wir sind bereit, etwas zu tun, um unser angeschlagenes Selbstbild zu reparieren. Wenn der Grund wichtig genug ist, um uns zu einer bestimmten Handlung zu bewegen, muss ich mir als Schuldmanipulator keine großen Gedanken mehr darum machen, gegenüber wem Sie Schuldgefühle hegen und warum. Wichtig ist nur, irgendwie Schuldgefühle bei Ihnen zu wecken, dann kann ich auch Ihr Verhalten in die von mir gewünschte Richtung lenken. Tatsächlich scheinen wir so zu funktionieren. Solange ich Ihnen Schuldgefühle machen kann, werden Sie bereitwillig mitmachen, was ich von Ihnen will, denn dann haben Sie das Gefühl, » etwas zurückzahlen zu können«. Aber worum ich Sie bitte, muss überhaupt nichts mit dem Grund Ihrer Schuldgefühle zu tun haben. Auch wenn Sie eigentlich ein schlechtes Gewissen haben, weil Sie meinen Computer kaputtgemacht haben, werden Sie mir gerne helfen, im Kindergarten aufzuräumen, wenn ich Sie darum bitte. Vor allem, wenn ich Sie an den Computer erinnere. Oder etwas anderes. Denn Schuldgefühle haben wir eigentlich permanent.
Begehen Sie jetzt nicht den Fehler zu glauben, dass es dasselbe ist, ob man jemandem hilft, seine Schuldgefühle abzubauen (indem er das kauft, was Sie wollen, sich einer Wohltätigkeitsorganisation anschließt oder um himmlischen Beistand bittet ), oder ob man ihm wirklich verzeiht. Wenn ich weiterhin schön Ihre mentalen Knöpfchen drücken will, tue ich gut daran, Ihnen nicht zu deutlich zu verzeihen. Es klingt vielleicht komisch, denn
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