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Nicht menschlich Inc.

Nicht menschlich Inc.

Titel: Nicht menschlich Inc. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Linnhe
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Gesicht.
    »Sie stammen nicht von hier? Ihre Vorfahren?« Niemals hatte eine Frage so sehr nach Zehn-Kilometer-mit-Gepäck-im Dauerlauf-jetzt-Sofort geklungen.
    »Nein«, sagte ich ein wenig atemlos. »Weder ich noch meine Familie kommen aus LaBrock.«
    Misstrauen blitzte in ihren Augen auf und verschwand von einer Sekunde auf die andere. Ich atmete flach, während meine Gedanken Purzelbäume schlugen. Hatte ich mich verraten? Die Prokuristenmutter musterte mich vom Haaransatz bis zu den noch immer glänzenden Schuhen, bis ich unbehaglich mein Gewicht auf das andere Bein verlagerte.
    »Sind Sie gut?«, fragte die Prokuristenmutter mich in der Tonlage eines Peitschenknalls.
    Ich klappte den Mund auf. »Äh, nun, ich habe …«
    Sie winkte ungeduldig ab. »Na, haben Sie einen Beweis für einen Krankheitsfall mitgebracht? Indizien gesammelt?« Sie schaffte es auf ganz erstaunliche Weise, die Lautstärke ihrer Worte mit jeder Silbe zu verstärken.
    Ich beeilte mich, zu nicken. »Ja, natürlich. Ein Foto von Herrn Wills. Außerdem hat er fürchterlich geniest, aber ich hatte kein …«
    Sie fuhr mit der Attitüde eines angreifenden Tieres zu Stacey herum. »Sie sollten mehr auf die Zeit der Neuen achten.« Ohne eine Antwort abzuwarten, marschierte sie den Gang hinab und verschwand durch die Haupttür. Als ich mich Stacey fragend zuwandte, hob diese einen Zeigefinger und gab mir zu verstehen, dass ich warten sollte. Sie trat neben ihren Empfangstisch und drückte einen kleinen Knopf unter der Holzplatte, ähnlich dem Auslöser für Alarmanlagen in Banken. Ein unangenehmer Summton dröhnte durch die Luft und wurde von einem steigenden Geräuschpegel aus dem Nebenraum beantwortet. Stimmen redeten durcheinander, untermalt von Wummern und Stampfen.
    Unsicher sah ich Stacey an. »Was ist das?«
    »Das Signal zur Bildschirmpause. Wir gewähren den Telefonisten ausreichend Pausen, weil sie den ganzen Tag am Bildschirm arbeiten. Daten eingeben, aktualisieren, Gesprächsverläufe notieren.« Sie blickte mich stolz an. Das Bild erweckte den Eindruck, als hielte sie mehr Macht in den Händen, als ihr in ihrer Position zustand . Wenn nun eine flammende Mistgabel neben ihr erschiene, mit der sie mich zum nächsten Auftrag scheuchte, würde ich an Ort und Stelle kündigen.
    Unsinn! Einen Job kündigen!
    Mein Widerwille gegen all das, was mir heute widerfahren war und mich dauerhaft auf dem Steg der Ohnmacht balancieren ließ, kämpfte mit meinem anerzogenen Sicherheitsdenken, bis die Auseinandersetzung durch einen höchst parteiischen Richter entschieden wurde. Und dieser trug den Namen Trott, Alltag oder auch Tretmühle. Wissenschaftlich betrachtet, der Weg des geringsten Widerstandes. Und den ging ich bei ABM, solange ich nicht die Flucht ergriff.
    »Nala?«
    »Alles okay«, flötete ich und kehrte in die Gegenwart zurück.
    Stacey war meine Reaktionen anscheinend bereits gewohnt und nickte lediglich, allerdings ein wenig herablassend. Das gefiel mir nicht. Vielleicht sollte ich Small Talk mit ihr halten und sie fragen, ob Schwefel gut für die Haare war. Staceys dunkler Schopf sah jedenfalls gepflegt und glänzend aus. Und wenn ich mich nicht täuschte, roch er fruchtig. Ich trat einen kleinen Schritt näher und schnupperte unauffällig. Kirsche mit Zimt, eine seltsame Mischung. Einmal in der Nase, ließ dieser Duft einen nicht mehr so schnell los.
    Als Stacey den Kopf drehte, glitzerte etwas zwischen den ebenholzfarbenen Strähnen. Ich sah genauer hin und entdeckte kleine Ohrringe, Silber mit weißen und orangefarbenen Tupfen in Gänseform. Niedlich. Sie verliehen ihr einen harmlosen Touch, den ich ihr allerdings nicht abnahm. Im Gegenteil, der Effekt hatte etwas von einem Locksignal, an dessen Ende das schlimme Erwachen lauerte.
    Stacey sah mich verwirrt an. Ich bemühte mich um einen harmlosen Gesichtsausdruck.
    »Du kümmerst dich um ziemlich viele Dinge hier in der Firma«, versuchte ich es mit einem halbherzigen Kompliment und kam mir im selben Moment albern vor. Ich war nicht geübt darin, mich anzubiedern, und schon allein deshalb würde ich es in Firmen wie dieser nie weit bringen. Ich dachte an den Prokuristen. Wer konnte sich schon bei einem Mann einschmeicheln, in dessen Gegenwart stets der Drang aufkam, einen Taschentuchzipfel anzufeuchten und ihm kräftig über die Haut zu rubbeln?
    Stacey begann Papiere zu sortieren . »Korrekt. Momentan habe ich zwei Schwerpunkte«, erklärte sie nicht ohne Stolz in der Stimme.

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