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Nicht menschlich Inc.

Nicht menschlich Inc.

Titel: Nicht menschlich Inc. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Linnhe
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der Prokurist den Kopf gehoben hatte. Gebannt starrte ich in die kleinen Kohlenstücke seiner Augen.
    »Setzen Sie sich«, sagte er und stand auf.
    Ich ließ mich auf den Stuhl fallen und gönnte ihm die Perspektive auf mich herab.
    »Wie hat Ihnen Ihr erster Arbeitstag gefallen?«
    Ich überlegte fieberhaft, wie ich die gesammelten Eindrücke in lockere Worte verpacken konnte, als er weiter sprach.
    »Sie haben richtig herausgefunden, dass Adrian Wills schwer erkältet ist.«
    Es interessierte ihn also nicht, was ich zu sagen hatte. Vielleicht war »wie hat Ihnen Ihr erster Arbeitstag gefallen« hier nichts anderes als eine Floskel. Ob er wohl mitzählte? Guten Morgen, wie hat Ihnen Ihr dreihundertzweiundvierzigster Arbeitstag gefallen? Auf Wiedersehen, ich hoffe, Ihr drittletzter Arbeitstag hat Ihnen gefallen?
    Dann stutzte ich. »Sie sagten richtig herausgefunden.«
    Ein ungerührter Blick waberte mir entgegen. »Natürlich war ich bereits zuvor über den Zustand von Herrn Wills informiert.«
    Natürlich? Ich konnte förmlich spüren, wie meine Augen immer größer wurden.
    Der Prokurist schien es nicht zu bemerken. »Ich musste sichergehen, dass Sie zuverlässig arbeiten, ehe ich Sie mit Dingen von Wichtigkeit betraue.«
    In diesem Moment erkannte ich das Geheimnis vieler Führungspersonen. Im Alltag zerbrach man sich den Kopf darüber, wie sie an ihre Positionen gelangt waren und warum man ihnen niemals die Meinung sagte. Ihr wahres Geheimnis lag weder in der Einschüchterung noch in einer Flut von Charisma, sondern darin, dass sie unverfrorene Äußerungen von sich gaben, die zu Sprachlosigkeit führten.
    Der Prokurist wirkte entsprechend befriedigt, als ich nichts sagte.
    »Kommen Sie morgen früh direkt zu mir. Sie werden eine neue Personalakte erhalten sowie Informationen zu der Person, die Sie überprüfen sollen.«
    Der Gedanke daran, am nächsten Tag wieder vor einer Haustür zu stehen und ungebetene Fotos zu machen, erfüllte mich nicht mit Freude. Was würde ich tun, wenn ich alle Krankmeldungen überprüft hatte? Ich ließ mir meine Zweifel nicht anmerken. Immerhin hatte ich in der Ausbildung drei Dinge perfektioniert: ein neutrales Gesicht zu machen, zu tippen, selbst wenn ich kaum hinsah, und mir am Kopierpapier nicht die Fingerkuppen aufzuschneiden.
    »Wann soll ich morgen anfangen?«
    Er starrte mich so durchdringend an, dass ich beinahe den Blick gesenkt hätte, um meinen Ausschnitt zu überprüfen.
    »Beginn ist um halb neun. Denken Sie, Sie schaffen es dieses Mal pünktlich?«
    Das hatte ganz und gar nicht freundlich geklungen.
    »Ich …«
    »Gut. Dann sehen wir uns morgen.« Er griff zum Telefonhörer, wählte und sah mich strafend an. »Gibt es noch Unklarheiten?«
    Noch immer kein Wort über meinen Vertrag. Ich spürte, wie eisige Kälte mich einhüllte. Automatisch richtete ich mich kerzengerade auf, ehe ich in die Höhe schoss.
    »Nein.« Mein Blick hätte sicher Staceys heimatliches Herdfeuer gefrieren lassen.
    Er bemerkte es nicht einmal.
     
    In den Gängen von ABM war es bereits dunkel, nur im Eingangsbereich brannte noch Licht. Ich bewegte mich wie eine Motte darauf zu und fühlte mich ebenso hilflos und von fremden Einflüssen getrieben wie dieses Tier. Nur wartete keine harmlose Glühlampe auf mich, sondern Stacey.
    » Nun, hast du alles geklärt?«
    Nichts ist geklärt, wollte ich ihr ins Gesicht schmettern, lächelte aber. Nur noch kurze Zeit des Lippenverziehens und Zähnezeigens, dann war ich frei.
    »Alles bestens.«
    »Dann los. Du freust dich sicher darauf, zu Hause von deinem ersten Arbeitstag zu erzählen.«
    Sie warf mir mit einer eleganten Geste meine Jacke zu. Ich fing sie weit weniger anmutig, weil der Reißverschluss gegen meine Vorderzähne schlug.
    Stacey lief los, aber von der Eingangstür weg, anstatt darauf zu.
    »Stacey?«
    Sie drehte sich überrascht um. »Hm?«
    Ich lächelte ein wenig unsicher. »Du kennst dich hier viel besser aus als ich, aber«, ich deutete über meine Schulter, »müssen wir nicht da lang?«
    »Das ist der Ausgang, natürlich.« Sie lachte. »Aber wie willst du ohne einen Springer nach Hause kommen?« Sie lief weiter und verschwand in der zunehmenden Dunkelheit des Ganges.
    Ich starrte ihr hinterher. Ein Springer, klar. Wie hatte ich das nur vergessen können? Ich schluckte zusammen mit meinem Nichtwissen hysterisches Gekicher hinunter und beeilte mich, Stacey zu folgen.
    Ich fand sie in einer kleinen, fensterlosen Kammer. Sie stand mit

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