Nicht ohne Beruf (German Edition)
Amerika einen Münchner Bekannten geheiratet. Dadurch dehnte sich ihr Aufenthalt, geplant für zwei Jahre, auf mehr als vier Jahre aus. 1966 flog ich rüber und lernte Kalifornien kennen.
Am 1. Oktober 1968 kehrte Uta mit Mann und der einjährigen Tanja auf der Hüfte nach München zurück. Sie zogen in eine Wohnanlage in der Nähe des Englischen Gartens.
Nun konnte ich wi eder jedes dritte Wochenende zu ihr reisen und meine kleine Enkeltochter ausfahren. 1970 vergrößerte Thomas die Familie.
Abends brachte ich die be iden ins Bett, las noch ein Märchen vor oder sang ein Gute-Nacht-Lied. „Husch, husch, ins Körbchen, die Sonne lacht. Der Mond hat längst schon sein Bett gemacht. Husch, husch ins Körbchen, mal muss es sein. Husch, ins Bett hinein. “
Sonntagabend brachte mich das Zügle zurück nach Geislingen, die Fünf-Täler-Stadt an der Schwäbischen Alb. Es war wie in einem Urlaubsort, aber der Dienst war ganz schön hart.
Außer dem Tagesablauf lief nebenbei Nachtbereitschaft. Da wir drei Assistentinnen waren, musste ich mich jede dritte Woche im Bereitschaftszimmer einquartieren. Es gab Nächte, in denen man durchschlafen konnte, aber dafür andere, in denen man aus dem Tiefschlaf herausgerissen wurde und dennoch keine Müdigkeit aufkommen lassen durfte.
An meinen ersten Bereitschaftsdienst erinnere ich mich noch! Bei frostigem Wetter hatten sich die Straßen in eine eisige Rutschbahn verwandelt. Eine Familie schlitterte mit ihrem Auto von den Höhen ins Tal und verunglückte. Sechs schwerverletzte Personen, die Eltern, drei Kinder und eine Oma, wurden im Krankenhaus eingeliefert. Vom Spätabend bis Mitternacht war ich damit beschäftigt, Schädelaufnahmen von allen zu machen. Die Kinder hatten Oberschenkelbrüche. Nachts war man ohne weiter Hilfe auf sich allein gestellt. Da hieß es Tempo, Tempo.
Am nächsten Morgen begann dann der T agesdienst. Ob einer geschlafen hatte oder nicht, spielte keine Rolle.
Die Bezahlung für den Bereitschaftsdienst war anfangs miserabel. Nach Abzug der Steuern blieben 3,50 DM für die ganze Nacht. Viel später wurde es besser. Kein Wunder, dass es oft an Personal fehlte. Wer tat sich schon so etwas an.
Die Tätigkeit in Geislingen war mehr als hart; mit zunehmendem Alter immer mehr. Aber man ist eben doch wohl mit seinem Beruf verheiratet. Mit Leib und Seele in Freud und Leid. Inzwischen stieg auch das Gehalt, als ich leitende Assistentin und damit höher eingestuft wurde.
Zwischendurch musste die Gallenblase heraus. Steine. Vorher hatte es mir keiner geglaubt. „Krank ist eine Schwester nie!“ Wenn ich gekonnt hätte, ich hätte gern eine leichtere Arbeit gesucht. Aber in meinem Alter würde ich wohl nichts finden, denn für mein Gehalt konnten ja zwei Jüngere eingestellt werden. Dann spürte ich, dass auch mein Motor anfing zu stottern und der Blutdruck stieg arg hoch.
In einer Nacht Anfang Juni 1973 weckte mich ein schneidender Schmerz in der Brust. Am Morgen ging ich in die Innere, ein EKG machen zu lassen. Unser Chef wurde unterrichtet, und ich wurde sofort stationär eingewiesen. Welcher Schock! Ein viertel Jahr vorm Rentendasein!
Die Diagnose Herzinfarkt wurde nie laut ausgesprochen. Lediglich die Oberärztin sagte einmal: „Wenn man Sie so sieht, glaubt man nicht an Ihren schweren B efund.“
Später der Ausspruch vom Internisten: „Nun, jetzt als Rentner können Sie ja was haben.“ Erst in München bekam ich es schwarz auf weiß: Vorwand-Infarkt.
Damit musste ich leben, bis ich einen Herzschrittmacher implantiert bekam. Das war aber erst im Juni 1999.
Mai 2005
Auf Anraten des Orthopäden haben wir einen Antrag auf Pflegeversicherung gestellt. Eine Beauftragte der Kasse kommt und schaut sich alles in der Wohnung an.
Der begleitende Fragebogen geht an uns eren Problemen total vorbei. Wie viel Zeit man zum Haare Kämmen braucht! Mein Mann mit Glatze wird somit per Definition nie ein Pflegefall!
Jedenfalls wird der Antrag abg elehnt.
Auch der Orthopäde findet es unverstän dlich, wenn nicht gar empörend, dass jemand in Muttis Zustand keinen Anspruch auf Unterstützung und Hilfe hat.
Mit staatlich verordneten Pflegekräften in den Wartezimmern der Ärzte sitzen? Geht das überhaupt?
Wir wollen alles in die Wege leiten, wenn ich mal wieder ausfallen sollte. Auf eigene Faust über die Hilfsorganisationen, da haben wir ja schon Schiffbruch erlitten.
Ich habe
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