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Nicht ohne dich

Nicht ohne dich

Titel: Nicht ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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Lebensmittelmarken und wir verließen den Tisch.
    Ich musste direkt an meinem Onkel vorbeigehen, und er zischte mir zu: »Ich habe euch nicht gesehen. Ich weiß nicht, was ihr im Schilde führt, und ich will es auch gar nicht wissen.«
    Raffi und ich sahen zu, dass wir wegkamen.
    »Was hat er zu dir gesagt?«, wollte Raffi wissen.
    Ich erzählte es ihm.
    »Warum mussten wir sie bloß treffen?«, fragte er. »Aber vielleicht passiert ja gar nichts.«
    »Ich habe Angst«, sagte ich.
    »Kopf hoch«, ermunterte er mich und grinste mich an. »Was meinst du, sollen wir uns schon nächste Woche anstatt in vierzehn Tagen wieder treffen? Am Alexanderplatz. Versprochen?«
    Ich versprach es. Dann sagte er: »Zieh mal deinen Handschuh aus.«
    Er hob meine Finger an seine Lippen und küsste sie. Mir wurde ganz seltsam im Kopf. Wir trennten uns, doch schon nach wenigen Schritten wandte ich mich nach ihm um. Er sah mir nach und winkte. Dabei wirkte er so munter und fröhlich, dass ich mich gleich besser fühlte, doch kaum hatte ich zurückgewinkt und mich wieder umgedreht, war das gute Gefühl dahin. Ich marschierte den Kurfürstendamm entlang, und eine beleibte Frau im Pelzmantel, die sich gerade Hüte in einem Schaufenster angeschaut hatte, trat mir im Umdrehen auf den Fuß. Dabei sah sie mich böse an, als sei es meine Schuld.
    Mir war egal, was sie von mir dachte und mir war auch egal, dass mein Fuß schmerzte, ich hatte andere Probleme. Denn vielleicht wollte Onkel Hartmut ja nur mich nicht in Schwierigkeiten bringen, weil ich seine Nichte war. Möglicherweise denunzierte er Raffi – er brauchte ja nur zu sagen, er habe ihn ohne den gelben Stern gesehen. Sicher glaubte er, es sei besser für mich, wenn Raffi von der Bildfläche verschwand. Und ich konnte nicht aufhören daran zu denken, wie dumm wir gewesen waren. Das Kranzler war genau die Art Lokal, die Onkel Hartmut und Tante Grete sonntags gerne aufsuchten.
    Plötzlich wollte ich unbedingt Mama mein Herz ausschütten. Auch wenn sie dann böse mit mir war. Ich rannte in unserem Haus die Treppe hinauf und läutete Sturm, bereit zu beichten.
    Die Tür wurde sofort geöffnet – von Katrin. Sie trug Straßenkleidung, und neben ihr stand ein Koffer, den sie wohl eben abgesetzt hatte, um aufzumachen. Auch Mama war da, einen angespannten Ausdruck im Gesicht. Ich merkte, dass sie gerade dabei gewesen waren, sich zu verabschieden. Es war wie im Theater, nachdem der Vorhang hochgegangen ist. Sprachlos starrte ich die beiden an.
    »Jenny«, sagte Mama, »Katrins Mutter hatte einen Schlaganfall.«
    »Wie geht es ihr?«, fragte ich Katrin.
    »Sie ist halbseitig gelähmt, die ganze linke Körperhälfte«, erklärte Katrin und begann zu weinen. »Die arme Mama hat ihr ganzes Leben lang nur geschuftet, und jetzt das! Ich werde bei ihr bleiben müssen, um mich um sie zu kümmern. Du verstehst das doch, Jenny, oder? Du kannst dir nicht vorstellen, wie du mir fehlen wirst.«
    Am liebsten hätte ich gesagt: »Nein, geh nicht, du gehörst doch zur Familie«, aber ich brachte es nicht fertig. Schließlich war es ihre Mutter, und sie brauchte sie nötiger als wir. Also riss ich mich zusammen, verkniff mir das Weinen und sagte ihr, wie sehr ich sie vermissen würde. Wir umarmten uns.
    »Ich komme euch besuchen«, versprach Katrin. »Du brauchst nicht glauben, dass du mich nie wieder siehst. Und ich werde euch weiterhin helfen, Essen zu organisieren …«
    Sie versuchte zu blinzeln, brach aber in Tränen aus. »Es hat keinen Sinn, es hinauszuzögern«, sagte sie. »Ich gehe jetzt lieber.«
    Als sie fort war, lagen Mama und ich uns weinend in den Armen. Dann sagte Mama: »Wir können uns kein neues Mädchen nehmen. Einem anderen Dienstmädchen könnten wir nicht trauen. Sie würde sich fragen, was mit dem Essen passiert. Und wir müssten bei jedem Wort aufpassen, das wir sagen.«
    Ich konnte ihr jetzt unmöglich erzählen, was im Kranzler vorgefallen war. Sie würde sich viel zu viele Sorgen machen – und wissen wollen, was zwischen mir und Raffi lief. Das hätte ich nicht ertragen. Außerdem, wie hätte sie mir schon helfen können?
    Die darauf folgende Woche war in vielerlei Hinsicht schrecklich.
    Ich musste das Backrohr putzen. Die Verschmutzungen waren zäh wie Teer und ließen sich nicht lösen, aber dann dachte ich an Raffi, der im Gaswerk den Teer aus den Retorten kratzen musste. Seine Arme taten bestimmt mehr weh als meine, und sicher empfand er genauso wie ich – als würde der

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