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Nicht ohne dich

Nicht ohne dich

Titel: Nicht ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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es schrecklich hier oben während des Angriffs?«
    »Man gewöhnt sich dran«, sagte er, fügte allerdings hinzu: »Ja. Aber ich habe wieder geschrien. Und ich habe an dich gedacht, das hat mir Mut gemacht.«
    Seine Hände wanderten über meinen Körper. Ich wusste, was er meinte.
    Danach sagte er: »War es dieses Mal besser als letzte Nacht?«
    Ich küsste ihn schläfrig. »Ja, noch besser.«
    Beim Schlafen schmiegte ich meinen Rücken an seinen Bauch, geborgen in der warmen Krümmung seines Körpers. Ich glaube, keiner von uns hat sich gerührt in jener Nacht, so müde waren wir.

Kapitel Zwanzig
    D ie Schlachterei stand noch am nächsten Tag und es gab das Fleisch aus dem Zoo. Der Gemüsehändler hatte weiterhin geschlossen.
    »Antilope«, erklärte mir Herr Gross, als er das Fleisch in eine Zeitung wickelte. »Schmeckt fast wie Wildbret. Ein schöner Leckerbissen für euch. Aber habt ihr überhaupt die Möglichkeit zu kochen?«
    »Janke ist gerade dabei, im Hof für das ganze Haus einen Ofen zu installieren. Jeder von uns steuert Kohle bei.«
    »Es liegt jede Menge Feuerholz rum«, meinte der Schlachter und schnitt eine Grimasse. »Das haben wir den Tommys zu verdanken. Die haben wohl auch dafür gesorgt, dass die Damen kein Bein mehr zeigen.« Wieder schnitt er eine Grimasse in Richtung meiner Hosen. Ich lachte und er stimmte mit ein. Er war ein gutmütiger Kerl.
    Der Bäcker hatte zu, weil ihm das Mehl ausgegangen war, aber ich hatte bereits von Frau Tillmann gehört, dass die Frauen von der NS-Volkswohlfahrt Schwarzbrot verteilten. Ich stellte mich an einem ihrer Stände in die Schlange. Sie hatten große längliche Laibe, die sie mit mechanischen Brotschneidemaschinen halbierten, indem sie die Schneide hochklappten und sie dann mit Schwung nach unten sausen ließen. Als ich an der Reihe war und meinen halben Laib ausgehändigt bekam, sagte die Frau lächelnd zu mir: »Kopf hoch, Mädchen. Wir werden es überstehen.«
    Sie erinnerte mich an Katrin. Nicht nur wegen ihrer Art zu reden, sondern auch wegen ihres ehrlichen, offenen Gesichts.
    Ich musste zurücklächeln, als wäre es Katrin, außerdem war ich auch dankbar für das Brot. Das Brot, das mir die Nazis gegeben hatten und mit dem ich einen versteckten Juden durchfütterte.
    Ich dachte: Wie kann sie so nett sein und doch zu denen gehören? Dann wieder: Aber wir sitzen doch alle in einem Boot. Egal, wer wir sind, wir werden alle bombardiert, oder etwa nicht? Ich wusste allerdings selbst nicht, ob das ein richtig kluger oder ein vollkommen absurder Gedanke war.
    Als ich an unserem Treppenabsatz ankam, krampfte sich mir vor Schreck der Magen zusammen, weil Willi Mingers dastand. Ich nahm das Brot fest in die Hand. Es war ein schöner massiver Roggenlaib, damit konnte ich ihn bewusstlos schlagen.
    »Mit wem warst du da gestern Nacht zusammen?«, zischte er.
    Obwohl ich diesen Moment schon mehrmals im Kopf durchgespielt hatte, traf mich die Frage wie ein Schock. Trotzdem hatte ich die Antwort parat, die ich mir zurechtgelegt hatte.
    »Was geht dich das an?« Ich kramte mit der freien Hand meinen Schlüssel heraus. Dabei ließ ich ihn nicht aus den Augen, für den Fall, dass er etwas im Schilde führte.
    Er starrte mich ebenfalls an, und mir wurde flau im Magen. »Schlampe«, beschimpfte er mich.
    Wir hatten wieder Strom, aber noch kein Gas, deshalb garten wir unser Zoofleisch nacheinander in Jankes Außenofen. Frau Tillmann war vor mir dran: In einer roten Skihose bereitete sie Krokodilschwanz zu.
    »Riecht gut«, sagte sie. »Das hätte ich nie gedacht, aber schnuppere selbst mal, Jenny.« Sie schob den Deckel ihres Topfes zur Seite und ich schnupperte. Es roch wirklich gut.
    Der Besenstiel kam zu früh herunter. In ihrem Schlabberrock und den mehrmals geflickten Wollstrümpfen hielt sie das Nazi-Ideal der deutschen Frau hoch. Mit einem missbilligenden Zungenschnalzen kommentierte sie den Anblick meiner Hosen, ehe sie uns mit einem »Heil Hitler!« begrüßte. Ich entgegnete: »Guten Morgen.«
    Wieder schnalzte sie mit der Zunge. »Wahrscheinlich sollte ich auch noch froh sein, Tür an Tür mit solchem Verräterpack zu leben. Es ist ja kein Wunder, dass unser Haus noch steht. Frau Friedemann hat den Engländern gesagt, wo sie wohnt.«
    Ich musste unwillkürlich lachen. Die Vorstellung, die Engländer könnten ihre Bomben so zielgenau abwerfen, dass unser Haus jedes Mal verschont wurde, war einfach irrwitzig. »Eines Tages wird dir schon noch das Lachen

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