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Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Titel: Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meral Al-Mer
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fern. Es war auf dem Souk von Aleppo, wir hatten uns mit einem der Brüder meiner Mutter verabredet, mit Onkel Sali, der von sanftem Gemüt war und, so erzählte mir später Mourad, meine Mutter sehr unterstützt hatte, als mein Vater sie damals im Stich gelassen hatte. Ich glaube, der Grund unseres Treffens auf dem Souk in Aleppo war Geld, das mein Vater Onkel Sali für meine Mutter übergab. Ich fand ihn sehr nett, er war herzlich und drückte mich zum Abschied fest an sich.
    Auf einmal zupfte mich mein Vater am Ärmel und zeigte in eine bestimmte Richtung. Dort stand ein älterer Mann, schmal und schlank, ganz in Weiß gekleidet und mit einem weißen Turban. Er war eine würdevolle Gestalt, und obwohl er weit entfernt von uns stand und uns nicht bemerkte oder nicht bemerken wollte, fiel mir auf, dass er leuchtend blaue Augen hatte.
    »Das ist dein Opa«, sagte mein Vater. Leider kam es nicht in Frage, ihn zu grüßen oder gar anzusprechen. Auch ein Besuch bei meiner Mutter war undenkbar. Durch die wenigen abfälligen Bemerkungen meines Vaters über Saliha kam ich gar nicht auf die Idee, mir das zu wünschen. Und jetzt, da ich von Tag zu Tag weniger Kind war, drohte mein Vater immer wieder mit Sätzen wie: »Wenn du dich nicht benimmst, schicke ich dich zu deiner Mutter zurück. Die sucht dann einen Ehemann für dich.« Klar, dass ich darauf keine Lust hatte. Und so blieb es bei diesen wenigen kurzen Blicken auf diesen imposanten, weißgekleideten Großvater, den kennenzulernen nicht möglich war.
    Als ich dreizehn war, bekam ich meine erste Regel. Da ich klein und zierlich war und offenbar an Eisenmangel litt, wie viele Mädchen in der Pubertät, passierte es mir nun ab und zu, dass ich ohnmächtig wurde. Als dies zum ersten Mal geschah, fand ich mich nackt unter der kalten Dusche wieder. Mein Vater hatte mich in den ersten Stock getragen, ausgezogen und unter die Dusche gepackt. Ich schämte mich vor meinem Vater und fand es alles andere als normal, dass er mich splitternackt auszog, während ich nichts davon mitbekam.
    Einmal erzählte ich meiner Tante Suheila davon.
    »Da hast du aber Glück gehabt«, sagte sie zu meinem großen Erstaunen. »Deine Tante Amina hat er als junges Mädchen nämlich fast umgebracht, als sie einmal wegen ihrer Periode ohnmächtig wurde.«
    »Wieso denn das?«, wollte ich wissen.
    »Weil er dachte, wenn eine Frau ohnmächtig wird, dann ist sie schwanger. Das musst du dir mal vorstellen: Du fällst um und wachst davon auf, dass dein Bruder auf dir herumtrampelt!«
    Ja, da war ich tatsächlich froh, dass mein Vater inzwischen gelernt hatte, dass es auch andere Gründe für eine Ohnmacht geben konnte.
    Da er mir strenge Vorschriften für meine Kleidung machte, entschloss ich mich nach einer Weile, dass ich ein Hippiemädchen werden würde. Das war für mich der Ausweg, einen eigenen Stil für mich zu erfinden und den Forderungen meines Vaters Genüge zu tun: lange schlabbrige T-Shirts und Hemden, orientalische Teppichtaschen, Schlaghosen und lange Röcke, langärmelige, bestickte Blumenmädchen-Blusen. Als Hippiemädchen konnte ich mich cool kleiden, ohne aufreizend zu sein. Ich konnte Tee servieren und Räucherstäbchen anzünden.
    Und dennoch, mein Vater gewöhnte sich an, mich streng zu überwachen und herauszufinden, ob ich mich an seine neuen Regeln auch wirklich hielt. Dafür testete er mich immer wieder, und noch heute reagiere ich sehr empfindlich darauf, wenn das jemand mit mir macht.
    Eine seiner neuen Regeln besagte, dass ich nicht mehr auf Partys gehen durfte. Einmal machte er wegen eines Schulfestes eine Ausnahme. »Aber um Punkt zehn Uhr bist du zu Hause!«, schärfte er mir ein. Ich ahnte nicht, dass dies einer seiner Tests war.
    Ich versprach es und hatte auch fest vor, mich daran zu halten. Doch dann vergaß ich die Zeit. Ich stand mit einem Mitschüler im Hof und unterhielt mich mit ihm. Es war kühl, und er gab mir seine Lederjacke, damit ich nicht fror. Dieser Junge war nichts weiter als ein guter Freund, einer, der mit allen Mädchen gut auskam. Auf einmal höre ich ein komisches Geräusch, wie wenn jemand mit der Zunge schnalzt. Ich blickte mich um. Mein Vater stand ganz in der Nähe, verborgen hinter einem Gebüsch. Ich erschrak zu Tode, wusste schon jetzt, was mir blühte. Ohne ein weiteres Wort knallte ich dem Mitschüler, der meinen Vater nicht bemerkt hatte, die Lederjacke hin und rannte los. Aus der Sicht meiner Freunde war das natürlich ein unmögliches und

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