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Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Titel: Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meral Al-Mer
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erledigte das alles gerne und schnell – schließlich wusste ich, dass es ein Donnerwetter geben würde, wenn ich in dieser Hinsicht etwas versäumte. Aber ich wusste auch, dass ich meinem Vater mit diesen kleinen Liebesdiensten eine Freude machen konnte.
    An jenem Pfingstwochenende beschlossen meine Tanten, dass ich lernen sollte, wie man Lahmacun zubereitet, die türkische Variante einer Pizza. Das war alles kein Problem für mich, hatte ich doch schon Tausende Male zugesehen, wie meine Oma das machte. Doch als es daranging, die mit einer klebrigen Masse aus Hackfleisch, Zwiebeln, Tomaten und scharfen Gewürzen bestrichenen Fladen in den Ofen zu befördern, sorgte ich für großes Gelächter und gerunzelte Stirnen: Statt sie einfach auf einem Blech in den Ofen zu schieben, bestanden meine Tanten darauf, dass man sie mit einem gewissen Schwung aus dem Handgelenk in den Ofen werfen müsse, eine Technik, die sie perfekt beherrschten. Als die Reihe an mir war, meinen Fladen im Backofen zu platzieren, landete er als zermatschter Klumpen ganz hinten in der Ecke des Backofens, wo er kleben blieb. Ich fürchte, meine Tanten sahen dies als ein schlechtes Omen; es bestätigte sie in dem, was sie »schon immer gewusst« hatten: Ich war ein »verlorenes« Kind. Zum Abschluss des Wochenendes schenkte mir Tante Suheila meinen ersten BH ; offenbar fand sie, dass zum Erwachsenwerden auch das gehörte.
    Es blieb bei diesem einen Wochenende, danach vergaß mein Vater den muslimischen Benimmunterricht offenbar wieder. Doch war es nur eine Ruhepause, und jedes Mal, wenn mein Vater erkannte, dass ich mich vom Kind zu einer jungen Frau entwickelte, kam es zu Krisen. Oft gab es Schläge, und bei einer dieser Gelegenheiten, als mein Vater beim Prügeln meine Bluse zerriss, entdeckte er, dass ich den BH trug, den mir meine Tante geschenkt hatte.
    »Was?«, schrie er außer sich vor Zorn. »Du kleine Hure trägst jetzt schon einen Büstenhalter?! Wer hat dir das erlaubt?«
    Er geriet in eine solche Wut, dass er in die Küche ging und einen metallenen Kartoffelstampfer auf der Herdplatte heiß machte.
    »Jetzt wirst du sehen«, schrie er, »was ich mit dir mache. Ich werde deine kleinen, verdorbenen Brüste mit diesem Brandeisen zeichnen, damit keiner dich mehr anschauen mag. Dann ist vielleicht Ruhe.«
    Ich weiß nicht mehr, wie wir es abwenden konnten, dass er diese Drohung in die Tat umsetzte. Es reichte völlig, dass er mir mit dem heißen Eisen eine fürchterliche Angst einjagte.
    Mein Vater dachte sich immer neue Vorschriften für mich aus. Vor allem sollte ich keinen Umgang mehr mit Jungen haben.
    »Ja aber«, protestierte ich, »wie soll das denn gehen? In meiner Klasse sind nun mal Jungs!«
    Also sollte ich nach der Schule sofort nach Hause kommen. Besuche bei meinen deutschen Freundinnen sah er nicht mehr gerne, und über Nacht bei ihnen zu bleiben, wie es vorher durchaus vorgekommen war, wurde nun überhaupt nicht mehr geduldet.
    »Können die nicht herkommen?«, war seine ständige Rückfrage, wenn ich ihn um Erlaubnis bat. Und er gewöhnte es sich an, meine vollkommen unschuldigen Bitten in ein komisches Licht zu rücken: » Was wollt ihr? Spielen?«, konnte er dann mit zweideutigem Unterton und anzüglichem Grinsen sagen. »Was für Spiele sollen denn das sein, die du mit deinen Freundinnen machst?« Auf diese Weise verwirrte er mich in jenen Jahren oft und machte, dass ich mich schuldig fühlte, ohne zu wissen, wofür eigentlich.
    In diesem Jahr fuhren wir wieder einmal alle zusammen in die Türkei zu den Verwandten meines Vaters. Mein Großvater Abit war ein Jahr nach dem Tod meiner Großmutter auch verstorben. Er war zurück in die Heimat gegangen und hatte eine blutjunge Frau geheiratet. Man erzählte, dass er immer sehr müde war, so als hätten ihn die Jahre in Deutschland alle Kraft gekostet. Eines Tages schlief er während der Feldarbeit auf seinem Traktor ein. Er fiel herunter und wurde von seinem eigenen Traktor überfahren.
    Auf dieser Reise lernte ich eine meiner Großtanten kennen, jene Schwester meiner Großmutter Halima mit den roten Haaren und goldenen Zähnen, die von allen als Hexe verschrien war und zu Familienfesten nicht eingeladen wurde. Es war bei dieser Gelegenheit, dass ich die beiden Zaubersteine von ihr bekam, während mein Vater vor der Hütte wartete und nicht wagte, mir diesen Kontakt zu verbieten.
    Damals sah ich auch kurz meinen Großvater mütterlicherseits, Salihas Vater, wenn auch nur von

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