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Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Titel: Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meral Al-Mer
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»Wer bist du?!«
    »Ich bin niemand«, versucht Ramesh ihn zu beschwichtigen. »Niemand.«
    Ich renne weiter, dann blicke ich wieder zurück. Ramesh rührt sich nicht. Mein Vater springt ins Auto und gibt Gas.
    »Oh, mein Gott«, denke ich entsetzt. »Jetzt fährt er ihn tot.«
    Und renne um mein eigenes Leben, was bleibt mir anderes übrig. Da sind Menschen in den Hausgängen, sie schauen einfach nur zu. Mein Vater fährt wie ein Verrückter hinter mir her. Ich rutsche mit meinen Plateauschuhen im Schnee. Mein Vater kommt näher. Dann rette ich mich in eine Art Fußgängerzone, die durch Betonpoller von der Straße abgegrenzt ist. So muss auch er aussteigen und mir hinterherrennen.
    Da ist eine italienische Kneipe, ich reiße die Tür auf und stürme hinein. Drinnen an der Bar stehen ein paar Typen in Rippunterhemden und Latzhosen, starren mich an, als käme ich vom Mars.
    »Mein Vater hat gerade meinen Freund umgebracht«, keuche ich. »Bitte ruft die Polizei, schnell!«
    Doch keiner rührt einen Finger, alle glotzen mich nur an.
    »Er ist hinter mir her!«, schreie ich voller Panik. »Ihr müsst die Polizei rufen!«
    »Da drüben«, meint der eine schließlich, »ist eine Telefonzelle.«
    Ich nichts wie hin, doch statt der Polizei rufe ich in meiner Panik Elke an und bitte sie, die Polizei zu verständigen.
    Plötzlich sehe ich, wie mein Vater an der Kneipe vorüberläuft. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er merkt, dass ich nicht mehr auf der Straße bin. Verzweifelt sehe ich mich um. Ganz hinten sind die Toiletten. »Nein«, denke ich, »da sitze ich dann in der Falle.« Stattdessen verstecke ich mich hinter einer Plastikpalme.
    Die Tür geht auf, mein Vater betritt das Lokal.
    »Hey, Giovanni«, höre ich ihn, »hey, Luigi. Wie geht’s? Sagt mal, habt ihr meine Tochter gesehen?«
    »Ja«, sagt der eine Typ, »die ist dahinten.«
    »Alles klar«, sagt mein Vater.
    Dann höre ich, wie er langsam näherkommt. Wie erwartet, checkt er zunächst die Toiletten, öffnet in aller Ruhe jede einzelne Zelle.
    »Meral? Bist du hier?«
    Als er mich nicht findet, sieht er sich um und entdeckt mich hinter der Palme. Ich renne in den vorderen Bereich zurück und schnappe mir den einen der Latzhosenträger von hinten, packe ihn an seinen Trägern, wirble ihn herum und benutze ihn als lebendigen Schutzschild. Doch der will mir nicht helfen und reißt sich los. In einer einzigen verzweifelten Bewegung springe ich hinter die Theke und reiße das gesamte Regal um. Gläser und Flaschen fallen klirrend zu Boden. Luigi oder Giovanni oder wie der Besitzer auch immer heißt, brüllt vor Zorn.
    Endlich kommt die Polizei.
    »Was ist denn hier los?«, fragt einer der Beamten.
    Mein Vater geht sofort auf ihn zu, jetzt ganz jovial und kumpelhaft.
    »Sagen Sie«, spricht er ihn an, »haben Sie auch eine Tochter?«
    »Ja«, antwortet der Polizist.
    »Dann lassen Sie uns doch mal miteinander vor die Tür gehen.«
    Ich kann es wieder einmal kaum fassen. Zuerst bringt mein Vater Ramesh um, dann schafft er es, dass sich alle mit ihm verbrüdern. Und schon kommen er und der Polizist wieder herein.
    »Ich mache mir halt Sorgen um meine Tochter«, höre ich ihn noch sagen. »Sie ist fünfzehn. Fünfzehn!«
    »Der hat meinen Freund umgebracht!«, kreische ich.
    Der Polizist mustert mich von Kopf bis Fuß.
    »Wenn du jetzt Scheiß erzählst«, sagt er, so als sei ich die Verbrecherin, »dann wird das ganz schön teuer.«
    Irgendwie schaffe ich es dennoch, ihn dazu zu bringen, mit mir zurück zu der Stelle zu gehen, wo mein Vater Ramesh zusammenschlug. Doch Ramesh ist verschwunden. Im Schnee finden wir nur noch Blutspuren und seine Brille. Immerhin. Ich bin erleichtert, dass Ramesh offensichtlich doch nicht tot ist. Und doch gerate ich jetzt in Erklärungsnöte.
    »Er muss sich weggeschleppt haben.«
    »Aha«, meint der Polizist, angesichts der Blutspuren im Schnee nun doch verunsichert. »Und wo waren Sie und Ihr Freund vorher?«
    »Bei Freunden in der Wohnung.«
    »Na, dann gehen wir dort mal hin.«
    Das sind die Gebrüder Risseck, wo man sitzen und kiffen kann. Aber man kann natürlich niemals, auf gar keinen Fall Polizei mitbringen, doch das habe ich in der Aufregung überhaupt nicht bedacht. Und auf einmal stehen wir mitsamt dem Polizisten bei denen im Wohnzimmer, das Dope offen auf dem Tisch, und die beiden Brüder gucken mich nur fassungslos an, wie um alles in der Welt ich so blöd sein kann, einen Bullen anzuschleppen. Selbst dem Beamten ist

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