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Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Titel: Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meral Al-Mer
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es peinlich, und zum Glück übersieht er geflissentlich, was er nicht sehen sollte.
    »Der Ramesh«, wissen die Brüder immerhin, »der ist auf der Polizeiwache.«
    Und dort finden wir ihn auch. Er sieht übel aus, völlig zerschlagen, ganze Haarbüschel hat ihm mein Vater ausgerissen. Ich will ihn dazu bewegen, Anzeige wegen Körperverletzung zu erstatten. Er will aber nicht. Wegen seiner Familie. Wegen dem Stress. Wegen allem. Ramesh will nur noch seine Ruhe.
    Danach bieten uns die Polizisten an, uns nach Hause zu bringen. Ramesh wird nach seiner Adresse gefragt. Als er antwortet, steht mein Vater in der Nähe.
    Am nächsten Tag klingelt das Telefon. Mein Vater ist dran.
    »Kirchstraße 24«, sagt er nur, »sagt dir das was?«
    Es ist Ramis Adresse.
    »Wir sitzen hier mit geladenen Waffen und warten nur darauf, dass er nach Hause kommt. Dann bringen wir ihn um, deinen Freund. Oder du kommst zu mir zurück.«
    In mir arbeitet es fieberhaft. Ich weiß, dass Ramesh nur noch vier Tage in Deutschland ist, dann fliegt er mit seiner Familie zurück in den Iran. Doch davon hat mein Vater keine Ahnung.
    »Okay«, sage ich.
    Ich packe meine Sachen. Elke weint. Ich weiß nicht warum, aber jetzt, wo es so weit ist, habe ich seltsamerweise kein bisschen Angst. Vier Tage muss ich aushalten und meinen Vater in Sicherheit wiegen, dann ist Ramesh außer Landes.
    Mein Vater fährt vor, ich steige ein und fahre mit ihm dorthin, wo ich einmal zu Hause war.

17
Auf Schleuderkurs
    M ein Vater war offenbar dermaßen froh, nicht mehr alleine zu sein, dass er die Liebenswürdigkeit in Person war. Ich räumte sein Chaos auf, wusch seine Wäsche, kochte für ihn. Wir verbrachten vier coole Tage miteinander, kein einziges lautes Wort, keine Gewalt.
    »Meral«, sagte mein Vater überglücklich, »jetzt fangen wir ein ganz neues Leben an.«
    Dennoch war es mir, als ginge ich wie auf Eiern, als könnte ein falsches Wort alles zerstören. Doch nichts geschah.
    Als ich wusste, dass Ramesh in seinem Flugzeug saß, das ihn nach Teheran brachte, war es Zeit für meinen Rückzug.
    »Da wir ja jetzt ein neues Leben anfangen, darf ich doch sicher Rhea besuchen, oder?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte er, »natürlich.«
    »Fährst du mich hin?«
    »Klar, mach ich.«
    Also packte ich meinen ganzen Krempel zusammen.
    »Warum nimmst du denn all dein Zeug mit?«, wollte mein Vater misstrauisch wissen.
    »Och«, sagte ich, »das ist doch gar nicht alles. In meinem Zimmer steht ja noch der Koffer.«
    Damit war er zufrieden.
    Er lieferte mich bei meiner Freundin ab, und ich winkte ihm hinterher, als er wegfuhr. Am nächsten Tag wollte er mich wieder abholen.
    Am selben Abend jedoch rief ich ihn an.
    »Ich bin jetzt in Hamburg«, sagte ich.
    »Was?«, schrie er. »Du kommst sofort zurück!«
    »Nein!«
    »Dann fahren wir in die Kirchstraße und machen diesen Kerl alle.«
    Ich legte auf. Denn ich wusste ja, dass sie in der Kirchstraße niemanden mehr antreffen würden.
    Ich war gar nicht in Hamburg, ich hatte einfach geblufft, saß nach wie vor bei meiner Freundin Rhea. Doch darauf kam mein Vater nicht.
    Ich hatte ihn ausgetrickst, und darauf war ich stolz. Siehst du, sagte ich mir, du bist ihm gewachsen. Du musst nur schlauer sein als er.
    In dieser Zeit machte ich auch ein Praktikum, das ich mir endlich selbst ausgesucht hatte, und zwar in einer Werbeagentur in Düsseldorf, wo ich mich sofort wohlfühlte und eine Menge lernte.
    Und dennoch, trotz dieser Schritte in ein selbstbestimmtes Leben überfielen mich immer wieder ohne jede Vorwarnung schlimme Panikattacken, als ob die Angst mit beiden Händen nach mir griff und mich fest in ihrem Klammergriff hielt. Bis er langsam nachließ, bis ich mich wieder beruhigte.
    Auch wenn ich noch so sehr versuchte, ihn aus meinem Leben auszuklammern, so schwebte mein Vater doch über allem wie ein Gespenst. Ich glaubte zu tun, was ich wollte, zum Beispiel in der Art, wie ich mich nun kleidete oder schminkte, und doch waren diese Extreme nur der Versuch, mir selbst zu beweisen, dass ich frei war. Heute weiß ich, dass ich alles andere als frei von ihm war und dass ich jetzt nur das Gegenteil von dem auslebte, wozu er mich ein Leben lang gezwungen hatte.
    Nein, ich war ihn nicht los. Ich war mit meinen Freundinnen unterwegs, und auf einmal stand er da vorne an der Straßenecke und schaute mich an, als sei er Gott, als wollte er mir sagen: »Ich bin überall. Vor mir kannst du dich nicht verstecken. Ich sehe alles. Und wenn ich

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