Nicht ohne meine Schokolade
Savannah, die bemerkte, daß sie das Gespräch beenden mußte, um ins Revier zurückzukehren. Es war fast drei. »Sie sagten, daß Sie beide mal ein Paar waren?«
»Das war Vor Jahren, lange bevor er sich in Beverly verguckt hat. Es war alles bereits vorbei, als er sie traf. Wir wollten das tolle Designerteam werden, das die ganze Modefetzenbranche aus den Angeln hob. Aber er nahm die Entwürfe, mein Herz, und machte sich auf und davon. Ende der Partnerschaft.«
»Das klingt ziemlich bitter.«
»Das ist es auch.«
Savannah blickte ihr direkt in die Augen und sah darin eher Schmerz und Qual als Bitterkeit. Aber genau konnte man so etwas wohl nie beurteilen.
»Danielle, wo waren Sie an dem Morgen, als er getötet wurde, so gegen vier Uhr.«
»Ich habe genau hier gesessen und eine Tarotsitzung abgehalten.«
»Eine Tarotsitzung? Wer kann Interesse daran haben, so früh am Morgen eine Deutung seiner Zukunft zu erhalten?«
»Ich. Ich habe mir selbst die Karten gelesen.«
»Dann waren Sie...«
»Allein? Ja«, sagte sie müde, »ich war allein. Mit anderen Worten, ich habe kein Alibi, Detective. Ist das Leben nicht ganz schön beschissen? Und wo wir grade dabei sind, die Sitzung war auch ziemlicher Mist.«
Ja, das Leben war beschissen, stimmte Savannah zu, während sie vor Captain Bloss’ Büro saß und darauf wartete, daß er ihre Existenz zur Kenntnis nahm. Sie saß nun schon so lange da, daß sie das Gefühl hatte, ihr Steißbein sei an dem erbärmlich unbequemen Stuhl festgewachsen.
Sie fühlte sich wie ein ungezogenes Kind, das vor der Tür des Schuldirektors saß, um eine Abreibung verpaßt zu bekommen. Die Strafe konnte sie auf sich nehmen, aber die Spannung nervte sie zu Tode.
Zum hundertsten Male ging sie die Liste der Möglichkeiten durch. Kerker und Folter konnte man ebenso ausschließen wie eine Exekution im Morgengrauen. Es hatte in San Carmelita seit Ende des 19. Jahrhunderts auch keine öffentlichen Auspeitschungen mehr gegeben, also war das ebenfalls nicht allzu wahrscheinlich.
Er konnte ihr einen offiziellen Verweis erteilen, was ein bleibender Makel in ihrer sonst so makellosen Akte sein würde. Aber welche Gründe wollte er angeben? Insubordination vielleicht. Aber dann müßte er einen entsprechenden Vermerk in den Akten machen, und sie glaubte nicht, daß er die Sache mit dem Chief und der Videokassette schriftlich fixieren wollte.
»Reid.«
Sie sprang auf und hätte beinahe die Illustrierte fallen lassen, die sie zu lesen vorgegeben hatte.
Bloss stand in seinem Türeingang und sah so selbstzufrieden aus, daß sie Kerkerhaft und Prügelstrafe wieder auf ihre Liste von Möglichkeiten setzte.
Schweigend folgte sie ihm in sein Büro und beobachtete, wie die Tür sich hinter ihnen schloß.
»Setzen«, sagte er und deutete auf den rostigen Klappstuhl.
Der Ton ärgerte sie. Zutiefst.
»Soll ich mich vielleicht auch noch auf den Boden legen und tot spielen... Sir...?« fragte sie in süßlichem Ton.
Er reagierte noch nicht einmal. Das war kein gutes Zeichen. Er mußte etwas wirklich Niederträchtiges mit ihr im Sinn haben. Vielleicht sollte sie das Männerklo mit der Zahnbürste schrubben?
»Ich mach’ es kurz und schmerzlos, Reid. Dann können Sie gehen«, sagte Bloss und ließ sich in seinen Stuhl fallen. »Es hat keinen Zweck, die Sache in die Länge zu ziehen. Ich glaube nicht, daß Sie meine Gesellschaft mehr genießen als ich Ihre.«
»Das bezweifle ich aufrichtig... Sir«, sagte sie. »Danke, Sir.«
Er nahm ein Dokument von seinem Schreibtisch und schob es zusammen mit einem Stift in ihre Richtung. »Ich möchte, daß Sie dieses Dokument lesen und unterzeichnen, Detective. Und zwar sofort.«
»Was ist das?« fragte sie, während sie ihre Augen über das unbekannte Dokument schweifen ließ. Wie ein Schock traf es sie, als ihr der Titel des Schriftstückes ins Auge fiel.
KÜNDIGUNG
»Kündigung? Kündigung von wem?« fragte sie und konnte kaum noch atmen.
»Ihres Arbeitsverhältnisses, Detective... oder sollte ich besser sagen Mm Reid. Es ist meine traurige Pflicht, Ihnen mitzuteilen, daß Sie gefeuert sind.«
Kalte Wut erfaßte sie und besiegte den ersten Schock. »O ja«, erwiderte sie sanft, »ich sehe, daß Sie am Boden zerstört sind.«
»He, Sie sind ein guter Polizist, Reid. Mir gefällt es gar nicht, Sie auf diese Weise zu verlieren.«
Als sie das sarkastische Grinsen auf seinem Gesicht sah, wäre sie am liebsten über den Tisch gekrochen und hätte ihm sein
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