Nicht ohne meine Schokolade
Song. Ja, genau wie sie gedacht hatte.
Kerzen und Räucherstäbchen brannten überall, genug, um jeden Feuerwehrmann in die Startlöcher gehen zu lassen. An den Wänden war nicht ein Quadratzentimeter frei; alles war mit bunt gemusterten Überwürfen, Teppichen, Wandbehängen, Schnüren mit glitzernden Armreifen und Armbändern, handgewobenen Decken und Pflanzen, Pflanzen und noch mehr Pflanzen vollgestellt und — gehängt. Dieser Ort war wie ein Miniaturdschungel... bewohnt von einem Sultan... und von Walen. Eindeutig merkwürdig.
Und was zur Hölle verkaufte Danielle Lamont hier?
Ein mit Perlen bestickter Vorhang wurde beiseite gefegt, und dahinter erschien die auffällige Brünette, die sie schon auf dem Wohltätigkeitsball gesehen hatte. Sie war groß und schlank, fast schon mager, und betrat den Raum mit dramatischem Schwung. Mit ihr wogte eine Duftwolke herein, die verdächtig nach dem duftete, was die Einheimischen liebevoll als »kalifornisches Buschfeuer« bezeichneten, Marihuana.
Sie brauchte einen Augenblick, um ihren Blick auf Savannah zu richten, dann schenkte sie ihr ein friedliches, wenn auch etwas entrücktes Lächeln.
»Willkommen bei Danielle.« Mit einer großartigen Geste deutete sie auf ihr Reich. Sie musterte Savannahs korrekten und unauffälligen Angorapullover und ihre leichte Wollhose. »Kann ich Ihnen dabei helfen, etwas... Besonderes zu finden? Etwas, das die unbändige Frau in Ihnen zum Ausdruck bringt?«
»Wie bitte?« Savannah mußte zugeben, daß das Wildeste in ihrem Kleiderschrank eine Plüschjacke im Tigerlook war, die sie bei Victoria’s Secret gekauft hatte.
»Die unbändige Frau«, wiederholte Danielle. »Uns allen wohnt eine inne, die nur darauf wartet, befreit zu werden und sich selbst mit absoluter und rückhaltloser Freude zu entfalten!«
Sie hob ihre mit zahlreichen Armreifen geschmückten Arme über den Kopf und machte ein paar Drehungen. Das durchsichtige, in grellen Farben bemalte Tuch, das sie locker um den Körper geschlungen hatte, floß um sie herum und betonte ihre graziöse Bewegung. Die kleinen Glöckchen, die an den Saum ihres Rockes genäht waren, klingelten, als sie sich bewegte, und Savannah konnte ein Grinsen kaum unterdrücken. Wirklich, eine unbändige Frau. »Eigentlich bin ich nicht als Kundin hier«, sagte sie.
»Oh, wie schade. Wir könnten so viel Spaß dabei haben, hier Verkleiden zu spielen. Ich habe soooo viele hübsche Dinge.«
»Vielleicht ein anderes Mal«, sagte Savannah, die plötzlich Lust hatte, sich in die mystische Welt dieser Frau fallenzulassen. Es würde Spaß machen, sich in ein kleines Mädchen zu verwandeln, das die Schätze in Großmamas Truhen auf dem Speicher durchwühlt.
Also wußte sie jetzt, was Danielle Lamont hier verkaufte. Sie verkaufte Träume.
»Mein Name ist Savannah Reid«, sagte sie und zog ihre Marke, die sie an einer Kette um den Hals trug, unter ihrem Pullover hervor. »Ich ermittle im Mordfall Jonathan Winston. Ich kam her in der Hoffnung, Ihnen ein paar Fragen stellen zu können... über Jonathan... über die Modeindustrie.«
Danielles verklärtes Lächeln verschwand, und ihr Blick wurde auf einmal wachsam und vorsichtig. »Und darüber, wo ich am fraglichen Morgen war?« fragte sie.
Savannah lächelte und nickte. »Zu dieser Frage komme ich wahrscheinlich auch.«
»Kommen Sie«, sagte Danielle und deutete auf den perlenbesetzten Vorhang. »Da drinnen ist ein kleiner Raum, den wir für Tarotsitzungen benutzen. Dort können wir reden.«
Savannah fand sich in einer bezaubernden Nische mit zwei bequemen, dick gepolsterten Sesseln und einem kleinen Tisch mit einer Spitzentischdecke wieder. In der Ecke stand eine antike Lampe, deren Lichtschein mit einem bestickten Fransenschal in angenehmer Rosenfarbe abgedunkelt war, was dem Raum einen romantischen rosa Schimmer verlieh.
»Was möchten Sie denn wissen?« fragte Danielle und setzte sich auf einen der Sessel.
Savannah setzte sich in den anderen und blickte auf die Spielkarten auf dem Tisch nieder, die mit fremdartigen, aber schönen Bildern verziert waren. »Ich möchte wissen, wann ich diesen großen, dunklen, gutaussehenden Fremden treffe, der mich einfach aus den Socken haut.«
Danielle lachte. »Möchten wir das nicht alle?«
Sie griff über den Tisch und bedeckte die Karten mit ihrer rechten Hand. Einen Augenblick lang schloß sie die Augen, sie schien sich zu konzentrieren; dann mischte sie die Karten und betrachtete die, die sie ausgewählt
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