Nicht ohne Risiko (German Edition)
den Blick, sah ihm kurz in die Augen. „Mein Gehirn spielt immer wieder die schlimmstmögliche Variante durch. Lässt mich sozusagen durchleben, wovor ich am meisten Angst hatte, als sie dich in die Notaufnahme gebracht haben.“ Emily zuckte mit den Schultern und strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Ich weiß nicht, was das bedeutet. Ich hatte eine Zimmerkollegin, die im Hauptfach Psychologie studierte, und sie sagte …“
Sie unterbrach sich, als Jim überraschend ihr Handgelenk ergriff. Er musterte sie intensiv und fragend. „Du hast gesehen, wie sie mich in die Notaufnahme brachten?“, fragte er. „Du warst also wirklich da. Ich dachte, ich hätte mir nur eingebildet,deine Stimme zu hören.“
Sie starrte auf die Finger hinab, die ihr Handgelenk umklammerten, aber er ließ sie nicht los.
„Ich war vor dir im Krankenhaus“, sagte sie.
„Aber wie denn?“ Plötzlich wurde ihm klar, dass er sie nie gefragt hatte, wie sie davon erfahren hatte, dass er angeschossen worden war. Sie hatten nie darüber gesprochen. „Wer hat dich informiert?“
„Niemand. Ich habe in den Nachrichten gesehen, wie du in den Rettungswagen verfrachtet wurdest.“
„Oh Gott.“ Jim erinnerte sich an das Gefühl völligen Unglaubens, als die Kugeln ihn getroffen hatten. Das konnte nicht sein. Es konnte einfach nicht sein, dass er angeschossen worden war. Er war nicht im Dienst, trug keine kugelsichere Weste, war völlig unvorbereitet. Es konnte sich nur um einen Irrtum handeln. Aber im Irrtum war nur er selbst. Da war so viel Blut. Alles war voller Blut.
Und Emily hatte ihn so gesehen. Im Fernsehen. Ohne Vorwarnung.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Dann, als sie dich reinbrachten, haben sie mich nicht in deine Nähe gelassen. Sie haben mir nicht mal erlaubt, deine Hand zu halten.“
„Ich dachte, ich hätte deine Stimme gehört. Ich habe versucht, dich zu finden. Ich wollte dir sagen …“
Er war sich so sicher gewesen, dass er sterben würde. Ja, er war kurz davor gewesen, den Kampf aufzugeben. Er war so müde, so … Aber er wollte Emily sagen, dass er sie liebte. Er versuchte dem Arzt zu sagen, er solle Emily etwas von ihm ausrichten, aber der Mann hörte einfach nicht zu. Er wiederholte immer nur, Jim solle seine Kräfte schonen.
Und dann hörte er wieder Emilys Stimme. Ihre Stimme, die ihn aufforderte, durchzuhalten, weiterzukämpfen.
Also tat er das.
Aber er hatte nicht wirklich daran geglaubt, dass sie tatsächlich da war, im Krankenhaus. Es war schon schlimm genug, dass sie ihn später nach seiner Verlegung aus der Intensivstation im Krankenbett gesehen hatte, angeschlossen an all die Schläuche und Monitore. Aber in der Notaufnahme – großer Gott, als man ihn in die Notaufnahme gebracht hatte, musste er furchtbar ausgesehen haben. Schlimm genug, um jedem Albträume für den Rest seines Lebens zu bescheren.
„Emily, es tut mir leid“, flüsterte er. Tränen traten ihm in die Augen, und er blinzelte sie weg.
Sie wischte sich über die Augen, versuchte eine einzelne Träne daran zu hindern, ihr über die Wange zu laufen. „Mir auch.“
Ihr wurde bewusst, dass Jim nicht länger ihr Handgelenk festhielt. Stattdessen hielt er ihre Hand, und sie umklammerte die seine ebenso fest wie er die ihre.
„Entschuldige“, sagte sie, ließ ihn los und rang sich ein tränenerfülltes Lächeln ab. „Wenn ich normalerweise aus diesen Albträumen aufwache, habe ich keinen so handfesten Beweis, dass es dir in Wirklichkeit gut geht.“
Er sah sie so voll trauriger Sehnsucht an, dass sie weder zusammenzuckte, noch auswich, als er ihr mit einer Hand das Haar aus dem Gesicht strich.
„Ich hab’s wirklich vermasselt, nicht wahr?“, fragte er leise. „Indem ich angeschossen wurde. Ich weiß, dass dich das sehr belastet hat, aber ich hatte keine Ahnung …“
„Es ist doch nicht so, als hättest du dich absichtlich anschießen lassen.“ Emily schüttelte den Kopf. „Für dich war es ja wohl auch nicht gerade ein Spaß.“
„Ich wollte nicht, dass du so etwas noch einmal erleben musst“, fuhr Jim fort und umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen. Seine Finger waren rau, aber seine Berührung durchund durch zärtlich. Emily spürte, wie ihr Herz zu rasen begann. „Aber ich hatte keine Ahnung, dass du davon Albträume hattest.“
Sie schaute zu ihm auf, die Augen geweitet, die Lippen leicht geöffnet. Das verwaschene weiße T-Shirt, das sie trug, verbarg ihren Körper kaum vor seinem Blick. Der Stoff
Weitere Kostenlose Bücher