Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicht schießen, Johnny!

Nicht schießen, Johnny!

Titel: Nicht schießen, Johnny! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ball
Vom Netzwerk:
stehenbleiben, er mußte weiter - weiter. Nach Luft schnappend stürmte er wieder los, wobei er ab und zu verpustete, wenn sein Körper ihn dazu zwang, jedoch von seinen fieberhaft erregten Sinnen immer wieder vorwärtsgetrieben wurde bis an die Grenzen seiner Kraft.
    Er wußte nicht, wie lange er so lief, wie viele Straßen er dabei ungesehen überquerte; als er aber eine belebtere Hauptverkehrsstraße erreichte, wußte er, daß er haltmachen mußte. Er blickte an sich hinunter und sah, daß er den Revolver noch immer offen in der Hand trug; er hatte nicht gewagt, ihn wegzuwerfen. Rasch drückte er sich in den Schatten einer Hausmauer. Seine Flucht hatte ihn erschöpft. Einen Augenblick lang war ihm alles egal; dann meldete sich wieder sein Selbsterhaltungstrieb, und er spähte nach einer Lösung für sein Problem aus.
    Nur zwei Meter entfernt stand eine große Mülltonne ohne Deckel. Er ging hinüber und schaute hinein; sie war halb voll, und auf den Abfällen lag ein Schuhkarton. Er fischte ihn heraus, machte ihn auf und entdeckte darin eine zerzauste, nasse tote Katze. Bei dem Anblick drehte sich ihm der Magen um; ohne nachzudenken, kippte er den armseligen kleinen Kadaver in die Tonne, schluchzte auf und brach in Tränen aus, als er den Revolver hastig im Karton verstaute und den Karton unter den Arm klemmte.
    Mit der instinktiven Schläue des Gejagten marschierte er bis zur Ecke und zwang sich, die Orange-Grove-Avenue in normalem Tempo zu überqueren. Als er schweißgebadet die andere Straßenseite erreichte, fand er sich am Rand eines steil abfallenden Geländes, einer grünüberwachsenen Schlucht, wo es bestimmt ein passendes Versteck für ihn gab. Er kletterte im Halbdunkel vorsichtig den Abhang hinunter bis zum Grund des Arroyo Seco und tauchte im dichtbewaldeten Teil des Parks unter.
    Johnny rückte Stück um Stück vor, drang immer tiefer in die Schlucht ein, bis er ein abgelegenes einsames Fleckchen fand, das ihm sicher erschien. Er kroch in das Buschwerk, ohne auf die Kratzer zu achten, die er dabei abbekam, und zwängte sich bis zu einer kleinen lichten Stelle hindurch, die ringsherum von dichtem Laub abgeschirmt war. Hier rollte er sich, den Schuhkarton fest an die Brust gedrückt, zusammen und überließ sich, ausgepumpt und todmüde, einer wohltätigen Betäubung. Minuten später war er eingeschlafen, und sein Atem ging tief und regelmäßig.

6. Kapitel

    In den ersten paar schrecklichen Sekunden nach der Detonation des Schusses und dem Klirren der Scheibe, als die Kugel das vordere Fenster durchschlug, traute Ralph Hotchkiss seinen eigenen Sinnen nicht. Es war wie ein böser Traum. Dann erfaßte ihn ein fieberhafter Tatendrang, und er stürzte zur Tür.
    Seine Frau schrie: »Nein!« und warf sich ihm in den Weg. Sie umschlang seine Beine mit den Armen. »Nein, nein!« wiederholte sie. »Geh nicht! Er wird dich töten!«
    Ihre Worte trafen ihn wie ein Blitz. Er zog den Kopf ein, riß Estelle zu Boden und drückte sie an den Schultern auf den Teppich. »Steh nicht auf. Bleib, wo du bist. Ich rufe die Polizei.« Er hatte kaum den Satz beendet, da läutete das Telefon.
    Geduckt, um eine möglichst kleine Zielscheibe abzugeben, rannte er zum Apparat, riß den Hörer ans Ohr und sagte hastig: »Ja?«
    »Hier ist Tibbs«, sagte die Stimme. »Wir haben die Wache vor Ihrem Haus abgezogen, Mr. Hotchkiss, als wir einen Jungen aufgriffen, den wir für Johnny McGuire hielten. Es war auch ein Johnny, aber nicht der richtige. Deshalb schicken wir die Beamten zu Ihnen zurück.«
    Hotchkiss rang um Fassung. »Eben wurde auf uns geschossen. Vor ein paar Sekunden. Die Kugel durchschlug das Vorderfenster!«
    »Machen Sie das Licht aus und legen Sie sich hin. Wir nehmen sofort die Verfolgung des Jungen auf. In fünf Minuten stehen Sie wieder unter Polizeischutz.«
    »Falls wir so lange leben«, entgegnete Hotchkiss. Er war noch immer so verstört, daß er nicht wußte, was er sagte. Dann kam er wieder einigermaßen zur Vernunft. »Entschuldigen Sie, aber ich bin noch ganz durcheinander.«
    »Verstehe. Machen Sie das Licht aus!« Tibbs legte auf.
    »Dad, was ist los?« Hotchkiss fuhr herum, und entdeckte seinen Sohn direkt hinter sich.
    »Runter auf den Boden, Billy, los!« befahl er, lief dann zum Schalter und knipste das Licht aus. Im Schutz der Dunkelheit, die ihm ein beruhigendes Gefühl der Sicherheit gab, gesellte er sich zu seiner Familie. Wie Estelle und Billy legte er sich flach.
    »Das war Tibbs, der

Weitere Kostenlose Bücher