Nicht schießen, Johnny!
ein zerschmetterter Vogel in seiner Hand gelegen, und die Wut über dieses Werk der Zerstörung war erneut in ihm aufgeflammt.
In seiner Erregung, und weil er einfach nicht imstande war, noch länger zu warten, hatte er den Revolver abgefeuert. Er hatte ihn auf das Fenster gerichtet, mit beiden Händen festgehalten und dann auf den Abzug gedrückt. Die Explosion war ohrenbetäubend; sie erschreckte ihn fast zu Tode. Einige Minuten lang stand er wie versteinert, dann rannte er, von Panik überwältigt, davon. Am Rande des unbebauten Grundstücks machte er lange genug Halt, um die Waffe in der braunen Tüte verschwinden zu lassen; dann bog er in eine menschenleere Seitenstraße ein und hastete in Richtung Colorado-Boulevard. Auf dem Weg dorthin hielt er immer wieder nach einem Versteck Ausschau, denn er wußte, jetzt, wo er wirklich geschossen hatte, würde die Polizei nach ihm suchen, und er wollte nicht gefaßt werden.
Nach drei Minuten hatte er die Ecke erreicht und sah einen Stadtbus auf sich zukommen. Die Haltestelle war nur ein paar Meter entfernt. Er lief hin und wartete, ohne sich darum zu kümmern, wohin der Bus fuhr; Hauptsache, der Bus brachte ihn möglichst weit fort von dort, wo er gerade war.
Mit einem Schnaufen der Druckluftbremsen hielt das mächtige Fahrzeug am Straßenrand, und die Türen öffneten sich. Johnny stieg ein, wobei er mit der linken Hand die Tüte umklammerte, während er mit der rechten Hand das Fahrgeld aus der Hosentasche fischte. Er fand einen Vierteldollar, den er dem Fahrer gab. Der Fahrer nahm das Geld und ließ den Bus wieder anrollen, ohne den kleinen Passagier weiter zu beachten. Der Bus war halb leer, aber um ganz sicherzugehen, setzte Johnny sich abseits, auf einen Platz für sich allein und so weit vorn, daß er beobachten konnte, wohin sie fuhren. Wenn sie in seine Wohngegend kämen, würde er nach Hause laufen, und sein Vater würde ihn beschützen; andernfalls würde er an irgendeiner Stelle aussteigen müssen, wo er vor den Nachforschungen der Polizei sicher wäre.
Er kannte die Strecke nicht, die der Bus zurücklegte, er entdeckte nur, daß er sich immer weiter von zu Hause entfernte. Dann, als er ruhig dasaß und zum Fenster hinausguckte, stieg ihm mit einemmal ein schwacher, aber durchdringender Geruch in die Nase. Der Geruch kam aus der Tüte mit dem Revolver und war beißend, wie Pulverdampf zu sein pflegte.
Schnell steckte er das Päckchen und das, was darin war, unter die Jacke, um den Geruch zu ersticken. Gleich darauf kam ihm der Gedanke, daß er dabei versehentlich den Abzug bewegt haben könnte, und ihn packte einen Moment lang wildes Entsetzen. Wenn der Revolver nun plötzlich losginge? Er faßte wieder etwas Mut, indem er sich einredete, daß die Gefahr viel geringer sein würde, wenn er ganz still säße.
Von da an wagte er sich nicht mehr zu rühren. Der Bus stoppte mehrere Male. Es stiegen keine Leute mehr ein, aber jedesmal stieg jemand aus. Als außer Johnny nur noch drei Passagiere übriggeblieben waren, wußte er, daß sie sich der Endhaltestelle näherten. Nun mußte er es darauf ankommen lassen; behutsam stand er auf und ging vorsichtig, mit kleinen Schritten, zur hinteren Tür. Der Fahrer kurvte noch um zwei Ecken, bevor er anhielt und ihn aussteigen ließ. Zwei Sekunden später stand Johnny mutterseelenallein auf dem Gehsteig und sah den roten Rücklichtern des Busses nach, bis sie verschwanden.
Dann zog er das Päckchen unter der Jacke hervor und wog es in der Hand. Es kam ihm plötzlich sehr schwer vor, und er fragte sich, ob er es wegwerfen sollte. Er mochte es nicht mehr haben, und es war gefährlich, die Waffe mit sich herumzutragen. Dann fiel ihm sein Vater ein, und daß er bestimmt sehr böse über ihn sein würde, wenn er seinen Revolver nicht unversehrt zurückbekäme. Sein Vater war schrecklich in seinem Zorn; dem wagte er sich nicht auszusetzen; er würde den Revolver wohl oder übel behalten müssen.
Sein Instinkt sagte ihm, daß er nicht zu lange allein an der Ecke stehenbleiben durfte; Leute würden ihn sehen und ihm alle möglichen unangenehmen Fragen stellen. Am liebsten wäre er nach Haus gegangen, aber er hatte keine Ahnung, wo er war. Er dachte daran, seine Mutter anzurufen, nur wußte er nicht, von wo. Er war in einer reinen Wohngegend gelandet; auf beiden Seiten der Straße zogen sich Mietskasernen entlang; hier hausten offenbar arme Leute. Nachdem, was er getan hatte, konnte er nicht einfach irgendwo klingeln und
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