Nicht schon wieder Champagner! - The Ex-Debutante
Association.«
Entgeistert starrte ich meine Schwägerin (in ihrem Vintage-Hippie-Mutter-Erde-Gewand aus biodynamischen Fasern) an und traute meinen Ohren nicht. Litt ich an Halluzinationen? Ich - die Frau, die kein bisschen scharf auf Debütantinnenbälle war, die Person, die Debütantinnenbälle hasste und ihren ganzen Intellekt aufbot, um zu beweisen dass sie nicht so verrückt war wie ihre Mutter und ihre Schwester.
»Hast du den Verstand verloren?«, jammerte ich.
Ja, ich, die coole, gelassene, kontrollierte Anwältin, die niemals jammert.
Ich atmete tief durch. Um mich zu verteidigen, muss ich erwähnen, dass wir bereits den Großteil des Vormittags damit verbracht hatten, den Ball zu planen. Und ich hatte mehr Kaffee getrunken, als es einem dreihundertfünfzig Pfund schweren Mann zuträglich gewesen wäre. Meine Nervenenden kreischten, und ich hätte mich am liebsten mit irgendwelchen Gewaltaktionen abreagiert. »Was haben Waisenkinder mit Debütantinnenbällen zu tun?«
»Nichts - das ist es ja, was ich dir seit einer halben Stunde klarmachen will. Debütantinnenbälle sind wertlos.«
»Aaaah - und indem du Waisenkinder einlädst, verleihst du unserem Ball einen höheren Wert? Wie wird das ablaufen? Sollen sie zuschauen? Ziehen sie was Weißes an? Werden sie als Pagen fungieren und Drinks servieren? Möchtest du ihnen unter die Nase reiben, worauf sie in ihrem armseligen Leben verzichten müssen?«
Janice dachte kurz nach und klopfte mit einem Bleistift auf ihr Kinn. »Okay, also sind die Waisenkinder keine so gute Idee. Nicht einmal mir fällt eine geeignete Methode ein, wie man sie in das Fest integrieren könnte …« Dann legte sie den Kopf schief. Beinahe sah ich die Rädchen in ihrem Gehirn kreisen. »Jetzt hab ich’s!«
Wundervoll.
»Jede Debütantin wird eine Schärpe tragen …«
»Meinst du eine Miss-Amerika-Schärpe?«
»Ja …« Janice kicherte entzückt. »Aber darauf werden
nicht die Namen der einzelnen Staaten stehen, sondern die Themen der Menschenrechte.«
Ich starrte sie wieder an.
Offenbar fand sie mein Schweigen ermutigend, denn sie begann ihren Plan zu erläutern. »Zum Beispiel ›Sklaverei‹ und ›Allgemeines Wahlrecht‹. Oder ›Armut‹ und ›Obdachlosigkeit‹ … Alles klar?«
»Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen - hast du den Verstand verloren?«
»Also glaubst du, das wäre übertrieben?«
Zusammen mit ein paar Biskuitkrümeln prustete ich ein »Ja« hervor.
»Okay, was hältst du davon? Jedes Mädchen repräsentiert irgendwas Positives - ›Arbeit‹ oder ›Mutterschaft‹ …«
»O Janice, red keinen Unsinn! Wir organisieren einen Debütantinnenball. Erinnerst du dich? Keine Aktivisten-Demo. Außerdem wollen wir Geld für die Symphony Association auftreiben, statt ihr den Garaus zu machen.«
»Igitt! Dieses ganze Konzept, Mädchen vorzuführen, um den Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen, ist einfach archaisch. Jede Nacht habe ich Albträume und fürchte, Susan Sontag und Betty Friedan werden mich verdammen.«
Dass beide Feministinnen tot waren, erwähnte ich nicht. Selbst wenn sie noch lebten, würde ein Debütantinnenball in Willow Creek, Texas, wohl kaum auf ihrer Prioritätenliste stehen.
»Hör mal«, begann ich, »niemand wird dich verdammen
- es sei denn, der Ball wird noch katastrophaler verlaufen als letztes Jahr. Dann wären deine bösen Träume vielleicht gerechtfertigt.« Uns allen würde es an den Kragen gehen. Doch das behielt ich für mich. »Also sollten wir unsere Gehirnwindungen anstrengen und erfolgreich sein. Und damit wir das hinkriegen, müssen wir uns an die strengen Regeln halten, die einer hundertjährigen Tradition entsprechen.«
Irritiert verdrehte sie die Augen. »O ja, und diese Regeln haben mich fast in den Wahnsinn getrieben, als ich hier aufgewachsen bin.«
Zum ersten Mal gewann ich den Eindruck, Janice wäre nicht hellauf begeistert darüber, dass ihr Vater ein Vermögen mit dem Verkauf von Schraubenmuttern, Bolzen und anderem Metallzeug gemacht hatte und dass sie trotzdem nicht zur Crème de la Crème gehörte.
»Schau mich nicht so mitleidig an!«, fauchte sie. »Als ich hier aufwuchs, ging’s mir großartig. Was ich heute bin, verdanke ich meiner Vergangenheit, weil ich mich in jenen Jahren zu einer starken, widerstandsfähigen Kämpferin entwickeln konnte. Zu dieser versnobten Bande wollte ich gar nicht gehören. Wenn ich die auseinandernehme, stinkt’s nach Trauben, die zu hoch hängen. Und wenn du sie
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