Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
gerissen hatte, war ich immer bewusstlos geworden. Diesmal war ich praktisch meines eigenen Körpers verwiesen worden und beobachtete mich von außen.
Sonderbar.
SIE/ich blieb vor dem Regal neben dem Durchgang zum Wintergarten stehen. Ich sage es nur ungern, aber im Lilith-Modus sah ich ziemlich albern aus. Der bläuliche Lichtschein um meine Fingerspitzen war ja nicht schlecht, doch die verschmierte Wimperntusche und die komische Strubbelmähne, in die sich mein Haar verwandelt hatte, waren meinem würdevollen, konzentrierten Gesichtsausdruck alles andere als zuträglich. Oh, und Mátyás hatte recht gehabt; die Trainingshose in Kombination mit meinen kniehohen Stiefeln sah wirklich schrecklich aus.
Die Begutachtung meines Outfits nahm ein abruptes Ende, als sich mit einem Mal ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete. Lilith hatte gefunden, wonach SIE suchte; das spürte ich deutlich. Ich sah mir dabei zu, wie ich in die Hocke ging und ein paar Bücher aus dem untersten Regal auf den Boden warf, um ganz tief hineinzugreifen und ein Buch mit Ledereinband hervorzuholen.
Schluss jetzt!, wollte ich rufen, doch mein körperloses Ich verharrte stumm und starr an der Tür, wo ich aus meinem Körper geworfen worden war. Komm sofort mit meinem Körper her!, versuchte ich zu sagen, aber ich war zu beschäftigt damit, in dem Grimoire zu blättern, um mich zu beachten.
Ich hörte, wie unten im Haus die Tür aufging.
SIE/ich klappte das Buch ruckartig zu und betrachtete mich mit einem kalten, grimmigen Lächeln. Wäre Lilith nicht im Besitz meines Körpers gewesen, wäre es mir wohl eiskalt den Rücken hinuntergelaufen. Doch so spürte ich eine Art Ziehen, als wollte sich mein Geist in Reaktion auf diesen bösen Blick zu einer kleinen Kugel zusammenrollen. Du kannst mich nicht einfach so rauswerfen!, hätte ich gesagt, wenn ich hätte sprechen können. Das verstößt gegen die Regeln!
»Du hast mich doch gerufen, Sterbliche! Du hast mich darum gebeten, dass ich mich in deinem Körper niederlasse. Ich mache es mir nur ein bisschen bequemer, das ist alles«, flüsterte SIE/ich, stand auf und kam zur Tür, und einen Augenblick lang befürchtete ich schon, SIE/ich ließe mich für immer im Türrahmen verharren. Doch SIE/ich streckte eine Hand aus, spreizte die Finger, und mit einem Mal hatte ich das Gefühl, mitgeschleift zu werden, ohne richtig im Einklang mit meinem Körper zu sein. »Ich verlange so wenig von dir für all das, was ich für dich getan habe. Wenn du den Zehnten nicht freiwillig bezahlst, dann nehme ich ihn mir.«
SIE/ich wickelte Sebastians Grimoire in meinen immer noch feuchten Minirock und klemmte mir das Bündel unter den Arm. Ich schnappte mir meine Netzstrumpfhose, drückte die Toilettenspülung und ging die Treppe hinunter. Es war äußerst merkwürdig, meine Bewegungen und alles, was ich tat, körperlich nicht zu spüren. Ich wusste zum Beispiel, dass sich der Minirock, den ich an meine Rippen drückte, feucht anfühlte, aber ich merkte nichts davon. Ich war eine machtlose, von allen Vorgängen abgeschnittene Beobachterin meines eigenen Körpers. Lass mich wieder rein!, dachte ich. Du hast jetzt das Buch. Wenn Sebastian dich sieht, weiß er sofort, dass du nicht ich bist!
S IE lachte. »Ich traue dir nicht. Du hältst dich bestimmt nicht an unseren Plan.«
An deinen Plan, dachte ich.
»Na gut«, räumte Lilith ein, »an meinen Plan.«
In der Küche nahm SIE sich eine von Sebastians leeren Einkaufstüten. S IE wickelte das Zauberbuch aus, legte es in die Tüte und warf meine feuchten Kleider hinein.
Dann marschierte Lilith/ich zur Haustür. Verabschieden wir uns denn gar nicht von ihm?, wunderte ich mich.
»Er ist ein Dieb, Garnet. Ich teile deine Sympathie für ihn nicht. Er ist meiner ansichtig geworden, und obwohl ich so gütig war, ihn am Leben zu lassen, hat er versucht, sexuell von uns Besitz zu ergreifen. Er hat unser Blut genommen. Unser Blut, Garnet. Das Blut einer Göttin!«, empörte SIE sich selbstgerecht. Nach kurzer Überlegung fügte SIE hinzu: »Du konntest beim Sex nicht einmal den aktiven Part übernehmen. Ich würde mich niemals derart von dem erstbesten Mann bezwingen lassen, und ich will verdammt sein, wenn ich es dieser diebischen Leiche gestatte!«
Hey, mir hat der Sex mit ihm gefallen. Und es ist mein Körper!, dachte ich.
Lilith ging nicht auf meinen Einwand ein und zog nur verächtlich meine Augenbrauen hoch.
Bist du … äh, sind wir hier nicht der Dieb, nachdem
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