Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
zwirbelte eine Strähne zwischen Daumen und Zeigefinger, wie er es häufig tat, wenn er nachdachte. »Verstehe«, sagte er. »Und dann hat SIE sich in dir eingenistet? Um sich die dir erwiesenen Dienste vergüten zu lassen?«
So hatte ich es noch gar nicht gesehen, aber vermutlich stimmte es. Ich hatte immer angenommen, Lilith sei mehr oder weniger aus Versehen in mir gelandet, weil ich keinen Schutzkreis gezogen, mich nicht geerdet und keine Banne gewirkt hatte, kurzum also keine der üblichen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hatte, die bei derart komplizierten magischen Verfahren erforderlich waren.
»Und jetzt sind die Pfaffen wieder da«, sagte Parrish und wies mit dem Kopf auf den Pfeil im Fensterrahmen. »Wissen sie von deiner göttlichen Untermieterin?«
»Ich denke, schon. Mittlerweile auf jeden Fall. Sie hatten einen Sensitiven dabei.«
»Als Waffe gegen Sebastian«, mutmaßte er. »Aber dann haben sie dich entdeckt.«
»Ja, und ich weiß immer noch nicht, woher sie wussten, dass sie Sebastian bei mir finden würden. Ich meine, die Agentin, die im Café war, hätte Izzy und mir natürlich folgen können, doch woher wussten sie, dass Sebastian abends bei mir vorbeischauen wollte und dass das Grimoire hier bei mir ist?«
Außer Parrish wusste niemand von dem gestohlenen Grimoire, und er hatte geschworen, mich nicht verraten zu haben. Und Sebastian gab ja wohl kaum seine eigenen Geheimnisse preis. Wer blieb dann also noch? Mátyás.
Als Parrish nicht antwortete, fragte ich: »Was weißt du über Dhampire?«
»Dhampire.« Parrish sprach das Wort so bedächtig aus, als wäre es ihm neu. »Dampiiire«, sagte er dann noch einmal ganz langsam und übertrieben. »Sie sind eine Kreuzung aus Vampir und Mensch. Man sagt ihnen magische Fähigkeiten und eine extrem hohe Lebenserwartung nach. Wenden sich zuweilen als Kronzeugen gegen ihren vampirischen Elternteil und werden Vampirjäger«, erklärte er. »Ein absoluter Mythos. Solche Geschöpfe gibt es nicht.«
»Ich habe einen kennengelernt.«
Parrish zog eine Augenbraue hoch. »Du steckst voller Überraschungen. Zuerst findest du die Rezeptur, die uns alle von der Nacht befreit, und jetzt ist dir auch noch das Kind eines Vampirs über den Weg gelaufen. Unglaublich! Als Nächstes erzählst du mir wahrscheinlich, dass du auch Werwölfe kennst.«
»Keine Werwölfe.«
»Gut.« Parrish klang erleichtert. »Und was hat dieser Dhampir mit deiner aktuellen Situation zu tun?«
»Ich glaube, er ist ein Informant des Vatikans.«
Parrish lachte. »Der Vatikan jagt doch keine Vampire!«
»Wenn sie zugleich Magier sind, dann schon.«
»Ah, gutes Argument«, sagte Parrish, dann gähnte er. »Ich glaube, ich muss allmählich ins Bett. Die Sonne geht bald auf.«
Ich schaute automatisch zum Fenster, weil ich schon wieder vergessen hatte, dass es mit Decken verhängt war. Aber selbst wenn nicht, hätte ich wohl keine Anzeichen dafür entdeckt, dass der Sonnenaufgang nahte. Parrish schien immer lange im Voraus zu wissen, wann es so weit war. »Spürst du die Erddrehung oder so? Woher weißt du das?«
»Ich habe auf deine Uhr geguckt. Und vorher in den Kalender.«
So viel zum Thema »Übernatürliches Wahrnehmungsvermögen«.
»Du kannst nicht hierbleiben«, sagte ich. »Ich habe den leisen Verdacht, dass Sebastian die Kongregation an der Nase herumgeführt hat. Wenn sie wiederkommen, werden sie ziemlich sauer sein und danach lechzen, ein paar Liter Vampirblut zu vergießen.«
Parrish ließ kaum merklich die Schultern hängen und sah auf die Uhr. »Wo soll ich denn um diese Zeit hin? Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als hierzubleiben und es darauf ankommen zu lassen.«
Seine Unbeschwertheit erschütterte mich. »Nein! Das ist mir zu gefährlich, Parrish. Wenn du mich schnell dahin fährst, wo ich meinen Rucksack vergessen habe, kann ich dir Bargeld für ein Hotelzimmer geben. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass du woanders sicherer untergebracht bist. Die Vorstellung, wie angreifbar du tagsüber bist, ist mir unerträglich. Die würden dich einfach abschlachten.«
Er sah aus, als wollte er protestieren, aber dann stutzte er. »Also liegt dir doch etwas an mir?«
»Natürlich.«
»Na dann, meine Teuerste, lass uns gehen!«
Sebastians blitzblanke schwarze Mafiakarosse stand genau im Lichtkegel der Straßenlaterne vor dem Haus. Parrish hatte seine schmutzige alte Harley direkt dahinter abgestellt. Während er die Satteltaschen befestigte, warf ich einen Blick in
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