Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
auf dem Boden ab.
»Aber du hast davon getrunken. Musst du dich dann gleich übergeben?«
»Schon vergessen? Solange die Zähne ausgefahren sind, kann ich essen und trinken, was ich will, ohne dass es böse Folgen hat.«
Interessant. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass seine Zähne noch ausgefahren waren.
»Du hättest das Grimoire an die Kongregation verkaufen können«, setzte ich meine Überlegungen mit Blick auf den Pfeilstumpf im Fensterrahmen fort. »Die scheinen zu allem entschlossen zu sein.«
Parrish nahm den Arm von meiner Schulter, um seine Lederhose vom Boden aufzuheben, und zog sie sich an, ohne aufzustehen. »Ich nehme doch keinen Kontakt zum Vatikan auf, Garnet! Wie könnte ich! Ich weiß schließlich, was sie dir angetan haben.«
»Aber wenn du doch Geld brauchst …«
»Du glaubst, ich würde dich verraten, um an das Gold des Papstes zu kommen? Anscheinend hast du keine besonders hohe Meinung von mir!«
Er stand auf, um seinen Reißverschluss und seinen Gürtel zu schließen. Ich wusste, was ich hätte sagen sollen, doch ich konnte es nicht, denn ich sah die ganze Zeit vor mir, wie er in irgendeiner dunklen Ecke schmutzigen Geschäften nachging. »Du würdest eher deinen Körper verkaufen?«
Parrish stemmte eine Hand in die Hüfte, was äußerst »professionell« und zugleich sexy aussah. »Es ist ja nicht so, als hätte ich das noch nie gemacht.«
Ich war ziemlich perplex, und als ich nichts sagte, fuhr er fort: »Sex gegen Bezahlung ist das älteste Gewerbe der Welt. Das machen die Leute schon seit Anbeginn der Zeit.«
»Die Leute schon. Aber du ?«
Seine Miene, die sich verfinstert hatte, wurde wieder etwas freundlicher. Er wandte sich ab und ließ den Blick durch den Raum schweifen, als suchte er nach seinem Shirt. Ich wusste, wo es war. Ich zog es unter meinem Bein hervor und schwenkte es wie eine weiße Fahne.
»Ich glaube, Madison ist nicht groß genug für … solche Sachen«, sagte ich. »Ich meine, beim Stehlen hältst du dich zurück, damit die Polizei nicht auf dich aufmerksam wird. Hast du keine Angst, geschnappt zu werden?«
Er nahm mir das Shirt aus der Hand und zuckte die Schultern. »Wenn man nicht in den Knast will, muss man sauber bleiben. Bewaffneter Raubüberfall ist ein schweres Verbrechen. Das, was ich mache, wäre – wenn es ein Gesetz dagegen gäbe – nur ein geringfügiges Vergehen.«
Also verkaufte er gar nicht seinen Körper, sondern nur seinen Biss. Das passte mir zwar auch nicht, aber es war doch um einiges erträglicher. Wenn die Leute Parrish unbedingt fürs Beißen bezahlen wollten, dann war das ihr Problem.
»Aber … warum?«
»Es ist eine äußerst befriedigende Tätigkeit«, sagte Parrish mit einem spröden Lächeln.
»Nein, im Ernst! Es passt überhaupt nicht zu dir, Parrish.«
Er legte eine Hand auf sein Herz. »Ich fühle mich geschmeichelt. Aber du glaubst ja gar nicht, wie schwer es für einen Mann wie mich ist, einen anständigen Job zu finden. Ich habe keine Bewerbungsmappe; mein Lebenslauf besticht durch Begriffe wie ›Straßenräuber‹ und ›Bankräuber‹, und tagsüber kann ich mich nirgendwo vorstellen.«
Ich dachte einen Moment darüber nach. Als Studentin hatte ich eine Weile nachts in einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet, das rund um die Uhr geöffnet hatte, aber mein Bewerbungsgespräch hatte während der üblichen Bürozeiten stattgefunden. Auch den Anruf mit der Einladung zu diesem Gespräch hatte ich tagsüber bekommen. Wenn Parrish sich also schon die Mühe machte, sich irgendwo zu bewerben, sagen wir, bei einem Sicherheitsdienst, dann bekam er den Job nicht, weil man ihn zu erreichen versuchte, wenn er schlief.
Und selbst falls er eine solche Stelle durch eine glückliche Fügung bekam, gab es immer noch das Problem, dass in solchen Betrieben in mehreren Schichten gearbeitet wurde und die Arbeitszeiten wöchentlich wechselten. Außerdem fanden teilnahmepflichtige Mitarbeiterversammlungen stets tagsüber statt. Es musste wirklich frustrierend sein, sich permanent in einer anderen Zeitzone zu bewegen als die anderen. »Wahrscheinlich bist du zu allem Überfluss auch noch ein illegaler Einwanderer. Ich wette, du hast weder eine Sozialversicherungsnummer noch einen Pass.«
»Da könntest du recht haben.« Parrishs Ton wurde sanfter, weil ich ihm keine Vorwürfe wegen seiner gegenwärtigen Tätigkeit machte. »Ich kam im Frachtraum eines Schiffes aus Übersee hierher. In den Papieren wurde ich als Leiche geführt, und das
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