Nicht schon wieder Liebe
zu zählen, die seit ihrem letzten Zusammensein verstrichen waren, und sich dann gegenseitig mit diesem Wissen zu ergötzen, sobald sie sich wieder sahen.
»Tut mir Leid, dass ich nicht eher kommen konnte.« Veronica strich Lizzy die seidigen Haare aus der Stirn. »Aber jetzt bin ich ja hier, und wir beide, du und ich, sind eine Familie, also zweifle niemals daran, dass ich mich um dich kümmern werde. Wir werden gleich damit anfangen, indem wir dich heute Nachmittag wieder in dein eigenes Zimmer zurückverfrachten.«
Sie blickte gerade noch rechtzeitig auf, um Dessas tief enttäuschtes Gesicht zu sehen, und lächelte das kleine Mädchen beruhigend an. »Möchtest du nicht mitkommen und uns helfen?«, fragte sie. »Du weißt doch hoffentlich, dass du Lizzy jederzeit besuchen kannst. Und an den Wochenenden könnt ihr Mädchen abwechselnd bei uns oder bei euch übernachten, wenn deine Mama damit einverstanden ist.« Dann warf sie einen Blick auf Riley, der eine betont gelangweilte Miene aufgesetzt hatte, um alle Anwesenden wissen zu lassen, dass er viel zu cool war, um ein Interesse an den Vorgängen zu zeigen. »Du bist natürlich auch jederzeit willkommen, Riley«, fügte Veronica hinzu.
Er verdrehte die Augen, stopfte sich einen weiteren Keks aus der Plätzchendose in den Mund und grunzte nur. Hörbar schluckend zog er die Kühlschranktür auf und nahm eine Plastikkanne mit Milch heraus. »Als ob ich Lust hätte, mit ein paar blöden Mädchen zu spielen!« Er trank direkt aus der Kanne, dann setzte er sie ab und erklärte: »Aber Brad Marshall wohnt ganz bei euch in der Nähe. Ich schätze mal, ich könnt’ irgendwas mit ihm zusammen machen, während die Mädchen mit ihren bescheuerten Puppen spielen tun.«
Marissa stand auf und nahm ihrem Sohn energisch die Milchkanne aus der Hand. »Hol dir ein Glas«, sagte sie, dann schüttelte sie den Kopf. »Spielen tun! Wenn das jetzt ein Beispiel für die Effizienz unseres derzeitigen Schulsystems sein soll, dann sollte ich mir für die nächste Wahlperiode wohl noch einmal überlegen, wo ich mein Kreuzchen mache.«
Riley bedachte seine Mutter mit einem breiten, reuelosen Grinsen und sah dabei so verblüffend wie eine männliche Ausgabe von Marissa aus, als sie 101 gleichen Alter gewesen war, dass Veronica sich auf die Innenseite ihrer Wange beißen musste, um nicht laut loszulachen. Um ihre Lippen musste es aber doch belustigt gezuckt haben, denn Marissa warf ihr einen strengen Blick zu.
»Bestärke ihn nicht noch!«
»Tu ich doch gar nicht. Das würde ich niemals tun.« Veronica setzte eine ernste Miene auf und blickte auf Lizzy hinunter, die sie noch immer in den Armen hielt. »Soll ich dir helfen, deine Sachen zusammenzupacken?«
»Nee, brauchst du nicht. Das hab’ ich gestern Abend schon gemacht. Sie sind alle oben; soll ich sie jetzt holen? Geh aber nicht weg - es dauert nicht lange, ich bin gleich wieder da!«
Veronica hasste die Ängstlichkeit, die plötzlich in der Stimme, ihrer Nichte mitschwang, doch sie lächelte nur und versicherte der Kleinen, dass sie nirgendwo hingehen würde: Lizzy löste sich aus ihrer Umarmung und drehte sich zu ihrer Freundin um. Sie schien wieder sichereren Boden unter den Füßen zu haben, als sie sagte: »Du kannst mitkommen und mir helfen, meine Sachen runterzutragen, Dessa.«
Alle drei Kinder stampften daraufhin aus der Küche, und Veronica wandte sich wieder Marissa zu. »O Mann, mir wird erst jetzt so richtig klar, dass ich von der Tante zur Mutter befördert worden bin. Es ist so eine ungeheuer große Verantwortung, und Lizzy erscheint mir so zerbrechlich. Was, wenn ich dem nicht gewachsen bin und alles verkorkse? O Gott, Rissa was, wenn ich Lizzy verkorkse?«
»Jetzt hol erst mal tief Luft«, wies Marissa sie an und massierte beruhigend Veronicas Schultern. "So. Und jetzt atme wieder aus und hör mir zu. Du wirst überhaupt nichts verkorksen.«
»Woher willst du das so genau wissen?«
»Weil du gut mit Lizzy Umgehen kannst. Weil du verrückt nach ihr bist und dein Bestes für sie tun wirst.«
»Ich habe aber bisher nie länger als eine Woche die alleinige Verantwortung für sie gehabt; was, wenn mein Bestes nicht genügt?«
»Es wird mehr als genügen. Du brauchst dir ja nur anzusehen, was du allein heute Nachmittag schon geschafft hast - du hast es fertig gebracht, ihr ihre Ängstlichkeit und Unsicherheit durch eine Umarmung zu nehmen und durch diese Wie-lange-das-schon-her-ist-Sache, die ihr beide teilt. Und du
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